1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)
füllen wir Kraftbrühe in die Kanne.« Kämmerer stimmte ihr zu. Längst waren sie darüber hinaus, Vogt mit Nahrungsentzug zu drohen, würden, im Gegenteil, ihn von nun an zur Nahrungsaufnahme zwingen, damit er am Leben blieb.
Sie setzten sich ins Wohnzimmer.
»Und nun?« fragte Frau Engert wieder mal.
»Ich überlege«, antwortete Kämmerer, »welche Schritte meine Gegner erwägen könnten, nachdem ihr Vorposten verschwunden ist. Eine erste Reaktion kennen wir bereits. Kopjella ist nach Hamburg gekommen. Zu dumm nur, daß er gestern den ganzen Tag außerhalb des Hotels verbracht zu haben scheint. Stunden um Stunden saß ich da im Foyer und hatte schon Angst, mich verdächtig zu machen. Aber vielleicht sollte ich es jetzt noch mal versuchen.«
»Das meine ich auch.«
»Mir geht noch was anderes durch den Kopf, nämlich die Frage, wie man im Hotel VIERLANDEN auf Vogts ständige Abwesenheit reagiert. Die Zimmermädchen haben nun an vier aufeinanderfolgenden Tagen festgestellt, daß er nicht dagewesen ist, und das muß ihnen doch merkwürdig vorkommen. Wissen Sie was? Ich ruf da einfach mal an!«
»Und wozu?«
»Ich verlange Herrn Vogt, und wenn sie mich dann durchstellen und in Vogts Zimmer geht wirklich jemand ran, ist das entweder ein Komplize oder die Polizei.«
»Die Polizei? Die ahnt doch gar nichts!«
»Nein, von dem, was sich hier im Heizungskeller abspielt, ahnt sie nichts, aber das Hotel kann eine Vermißtenanzeige aufgegeben haben, und vielleicht wer den Vogts Sachen, die ja wohl noch in seinem Zimmer sind, gerade überprüft. Aber keine Sorge, wenn’s irgendwie mulmig wird, beende ich das Gespräch sofort.«
Frau Engert holte das Telefon aus der Küche, und er zog die Guest-Card aus seiner Brieftasche, las die Nummer ab, wählte.
Die Zentrale meldete sich. Er bat, mit dem Gast Elmar Vogt verbunden zu werden, bekam eine Antwort, dankte und legte auf, gab die Information, die er erhalten hatte, gleich weiter:
»Herr Vogt hat von auswärts angerufen und mitgeteilt, er sei für ein paar Tage verreist, wolle aber sein Zimmer behalten.«
»Da sind wir besser unterrichtet.« Frau Engerts Kommentar klang fast etwas übermütig.
»Das bedeutet«, sagte Kämmerer, »daß Vogts Partner auf den Plan getreten sind. Vielleicht hat Kopjella sich eingeschaltet, denn auch er muß ja damit rechnen, daß die Polizei sich für einen tagelang abwesenden Hotelgast interessiert.«
»Apropos Polizei, Sie wollten sich doch mal bei Kommissar Granzow melden und auch mit Ihrem Onkel sprechen.«
»Wollte ich, ja, aber ich schieb’ das immer wieder vor mir her. Beide werden mich löchern, wo ich die ganze Zeit gewesen bin. Ich mach’s morgen oder übermorgen.« Er stand auf.
»Dann fahr’ ich jetzt also ins PLAZA. Vielleicht hab’ ich Glück, und Kopjella läuft mir da über den Weg.«
»Wollen Sie … die Waffe mitnehmen?«
»Ja.«
Er holte sich die Pistole, die inzwischen ihren Platz in einer Schrankschublade bekommen hatte, schob sie sich hinter den Gürtel. Die Jacke seines hellgrauen Anzugs verdeckte sie.
Am Steuer zog er Bilanz. Er hatte einen Mann in seinem Gewahrsam, der Tilmanns Mörder sicher nicht war, wohl aber Näheres über seinen Tod wußte. Nur. Er schwieg so konsequent, daß kaum noch Hoffnung bestand, ihm auch nur die kleinste Mitteilung zu entlocken. So gesehen, hatte seine Festsetzung sich als nutzlos erwiesen, aber es blieb der Vorteil, und der war nicht zu unterschätzen, daß er als gefährlicher Gegner entfiel. Und Kopjella? Mit dem würde es schwieriger werden, viel schwieriger. Er war älter, erfahrener, und er war, wenn Schöllers Angaben stimmten, Tilmanns Mörder, also bestimmt noch weit mehr auf der Hut als Vogt.
Er fuhr durch die Rothenbaumchaussee, erreichte den Theodor-Heuss-Platz, parkte am Rand von PLANTEN UN BLOMEN und näherte sich dem schlanken, hoch aufragenden PLAZA-Gebäude zu Fuß.
Diesmal blieb er draußen, nahm, indem er sich hinter dichtem Strauchwerk in Deckung hielt, den Betrieb am Hoteleingang unter Kontrolle, beobachtete die Personen, die heraustraten, und prüfte, wer aus den ankommenden Taxis stieg.
Er war auf langes Warten eingestellt, ja, auch darauf, daß er Kopjella wieder nicht zu Gesicht bekommen würde. Ich könnte, überlegte er, jetzt das tun, was ich gestern nicht gewagt habe, könnte an der Rezeption fragen, ob ein Herr Bärwald im Hotel abgestiegen ist. Er hatte sich gerade zu dem kleinen Vorstoß durchgerungen, war auch schon ein paar
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