1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)
sie ohne meinen Anruf die Polizei informiert hätten, denn eine Hotelleitung muß ja wohl Meldung machen, wenn ein Gast tagelang nicht auftaucht.«
»Wirklich«, sagte Henke, »das hätte ins Auge gehen können.« Er las auf der gelben Mappe den Namen Kämmerer und fragte, indem er mit dem Finger darauf zeigte: »Aber ich bleibe doch auch an dem Fall, oder?«
»Ja und nein«, erwiderte Kornmesser. »Du kriegst einen neuen Fall, und zugleich ist es der alte. Erst mal bleibst du aber hier. Wie seid ihr hergekommen? Mit nur einem Wagen?«
»Ja. Wozu zwei, wenn’s derselbe Weg ist?«
»Dann nimmst du«, Kornmesser sah Hübner an, »den nächsten Zug. Zwischen Lübeck und Hamburg gibt es jede Stunde eine Verbindung. Vergiß nicht, mit Gepäck im VIERLANDEN zu erscheinen! Jede Auffälligkeit ist zu vermeiden. Und du, Henke, fährst später mit dem Wagen zurück. Die Instruktionen für das, was du dann zu erledigen hast, bekommst du noch.«
Sie standen in der Waffenkammer. Hübner war gegangen. »Eine hervorragende Büchse, die SAUER 200«, sagte Kornmesser und übergab Henke das Gewehr, »hat aber auch dreitausend Mark gekostet. Man kann sie zerlegen und in einem Gewehrkoffer unterbringen. Das ist sehr wichtig, denn sonst hättest du Transportprobleme.«
Henke prüfte mit ein paar geübten Griffen den Verschluß und die Sicherung, fuhr mir der Linken über den dunkelbraunen Monte-Carlo-Schaft, sah kurz durch das aufgesetzte Zielfernrohr, wog dann die Waffe in der Rechten. »Acht Pfund? Oder vielleicht nicht ganz?« »Sieben. Und das Zielfernrohr kannst du austauschen gegen ein Nachtsichtgerät.«
»Gut, denn es muß dunkel sein. Vielleicht mach ich’s schon heute nacht, je nachdem, ob sich eine Gelegenheit ergibt.«
Kornmesser zog den kleinen Koffer aus einem Regal, und dann zerlegten sie gemeinsam die Büchse und packten die Teile ein, Lauf, System, Hauptschaft.
»Das Nachtsichtgerät«, sagte Henke.
Kornmesser holte es und auch die Munition. Beides paßte noch hinein. »Breuer wird nachher alles eintragen.
Zu unterschreiben brauchst du nicht, das mache ich. Ich wünsche dir ein gutes Auge, eine sichere Hand und natürlich … einen Heimweg.«
36
Am frühen Abend, es war Sonnabend, hatte Kämmerer wieder versucht, den Gefangenen zum Sprechen zu bringen. Es war vergeblich gewesen. Trotzdem hatte er ihm Wasser angeboten, auch das ohne Erfolg. Vogt hatte, in sich zusammengesunken, auf der Matratze gesessen, bleich, hohlwangig und mit ausdruckslosem Blick. Kämmerer war die Bemerkung von Frau Engert eingefallen, sie müßten ihn womöglich irgendwann in die Klinik bringen.
So war er wieder nach oben gegangen und hatte sich mit ihr besprochen. Sie hatten erwogen, einen Tropf zu beschaffen und ihn Vogt anzulegen, die Idee dann aber doch verworfen. Eine einzige heftige Bewegung, und er hätte sich die Kanüle aus der Vene gerissen. Es kam nur die direkte Zufuhr von Flüssigkeit in Betracht.
So gingen sie nun gemeinsam in den Keller, ausgerüstet mit einem hölzernen Löffel und einer Kaffeekanne voll Wasser. Sie fanden Vogt liegend vor, richteten ihn also zunächst einmal auf. Er ließ es ohne Widerstand geschehen, und als er dann dasaß, mit dem Rücken zur Wand und den Kopf nach hinten geneigt, hielt Kämmerer ihm mit der Linken die Nase zu, während die Rechte sich bemühte, ihm mit Hilfe des Löffels den Mund zu öffnen. Erst jetzt kam es zur Gegenwehr. Vogt preßte Lippen und Zähne zusammen, so heftig, daß Kämmerer das Holz förmlich zwischen die Schneidezähne bohren mußte. Endlich, die Lippen begannen schon zu bluten, klaffte da ein Spalt. Sofort drückte er nach, drehte dann sein Werkzeug, so daß das Löffelrund wie ein Hebel wirkte und die Öffnung vergrößerte.
»Jetzt!« sagte er.
Frau Engert beugte sich hinab und setzte die Tülle an, hielt die Kanne schräg. Den Kopf zurückgelehnt, die Nase verschlossen, den Mund voller Wasser, blieb Vogt gar nichts anderes übrig, als zu schlucken. Die beiden sahen es mit Befriedigung. Einmal noch versuchte er, sich durch eine ruckartige Kopfbewegung der Quälerei zu entziehen, doch Kämmerer reagierte sofort, verstärkte den Druck der Nasenklemme, und da fügte er sich ins Unvermeidliche.
Als sie ihm einen halben Liter Wasser eingeflößt hatten, ließen sie von ihm ab. Ein kleiner Schwall kam wieder heraus, ergoß sich über sein Hemd. Aber er hatte genug bei sich behalten.
Sie gingen. Auf der Treppe sagte Frau Engert:
»Das nächste Mal
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