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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Schützen reden.«
Er erkannte, sehr glaubwürdig klang das alles nicht.
»Mein Vater ist tot«, sagte Frau Dillinger.
»Oh, das tut mir leid! Ist er etwa erst kürzlich gestorben? Ich meine, weil Sie Trauerkleidung tragen.«
»Ja, kürzlich.«
»Mein herzliches Beileid. Er war also krank?«
»Nein.«
Er spürte, auch sie ging sehr bedachtsam vor, spielte Katz und Maus mit ihm, wie er mit ihr. Sie beide bewegten sich mit ihren Äußerungen immer nur ein kleines Stück voran, stets bemüht, nichts preiszugeben, was dem anderen einen Vorteil einbringen könnte, und trotzdem soviel wie möglich aus ihm herauszuholen.
»Es war Selbstmord«, ergänzte sie.
»Selbstmord?«
»So heißt es.«
»Sie haben Zweifel daran?«
»Berechtigte.«
»Wann geschah es?«
»Das ist es. Vor drei Tagen. Aber am Nachmittag desselben Tages haben wir noch miteinander telefoniert. Er war in guter Stimmung und wollte uns auf Amrum besuchen, bald schon. Da machten wir nämlich Ferien. Er sprach fast von nichts anderem, nur immer von seiner Reise, auf die er sich freute. Und von seinen Enkelkindern. Jemand, der solche Pläne hat und der eine solche Freude bekundet, nimmt sich doch nicht ein paar Stunden später das Leben!«
»Oder in den paar Stunden hat sich etwas Entscheidendes zugetragen.«
Sie antwortete nicht sogleich, sondern sah ihn wieder lange an, ja, sie musterte ihn geradezu und überraschte ihn schließlich mit den Worten:
»Zuerst, als Sie in der Tür standen, dachte ich, Sie wollten mir irgendwas verkaufen, und darum war ich so kurz angebunden. Dann, als Sie sagten, Sie kämen in einer Stasi-Sache, glaubte ich, Sie wären … , na ja, nicht grad der Mörder meines Vaters, aber doch jemand, der über die Hintergründe seines Todes Bescheid wissen könnte. Vermutlich sind jetzt in ganz Deutschland Rächer unterwegs, Leute, die, ob nun zu Recht oder nicht, Sühne wollen. Ich halte es für möglich, daß einer von ihnen hinter meinem Vater her war.«
»Aber ihn gleich töten? Dann ist also kein Abschiedsbrief vorhanden?«
»Doch, der ist da, nur gebe ich nichts darauf. Man weiß ja, was alles gefälscht worden ist in den letzten vierzig Jahren, und mein Vater hat da leider fleißig mitgehalten. Aber, und das überrascht Sie vielleicht, er war voller Reue. Viele seiner Kollegen haben sich verkrochen, sind mit falschen Personalien irgendwo untergetaucht, und er hätte das auch gekonnt. Aber er wollte nicht. Er wollte sich seiner Vergangenheit stellen. Wiederholt hat er meinem Mann und mir erklärt, man dürfe vor dem, was man nun mal getan habe, nicht davonlaufen.«
»Was steht in dem Abschiedsbrief? Ich hoffe, meine Frage ist nicht zu indiskret.«
»Nein. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie vertrau’ ich Ihnen. Also, in dem Brief bittet er um Verzeihung für die Fehler, die er im Rahmen seiner Stasi-Zugehörigkeit begangen hat. Ich meine, einer, der so weit ist, daß er sich stellen will, hat die Angst vor Verfolgung überwunden und nimmt sich nicht das Leben.«
»Und Sie glauben, in Betracht kommt jemand, der eine alte Rechnung zu begleichen hatte?«
»Ja, und der Kriminalbeamte, der den Fall aufgenommen hat, war auch dieser Meinung.«
»Kannten Sie Major Kopjella persönlich?«
»Nein, persönlich nicht, und ich hab’ auch keine Ahnung, wo er sich aufhält. Aber ich finde, wir sollten jetzt das Thema wechseln. Vielleicht gehören Sie ja doch zur Gegenseite und sind gekommen, um mich auszuhorchen.«
»Auszuhorchen? Zu welchem Zweck?«
»Na, um zu überprüfen, ob die Angehörigen des verstorbenen Stasi-Offiziers Fehrkamp an die SelbstmordVersion glauben.«
»Wenn ich so einer wäre, befänden Sie sich jetzt in großer Gefahr.«
»O nein! Ich hab’ vorhin nicht nur mit meinen Kindern gesprochen, sondern auch mit meinem Mann.« Sie zeigte in Richtung Elbe. »Dieses Fenster geht zum Fluß, aber das vom Nebenzimmer zur Straße, und da steht Ihr Wagen. Ich hab’ mir die Nummer aufgeschrieben und sie meinem Mann durchgegeben. Telefonisch. Er wollte sofort zur Polizei fahren und muß, in Begleitung eines Beamten, jeden Moment hier sein.«
»Donnerwetter«, sagte er und nickte beifällig, »der Osten hat seine Bürger geschult!«
»Ja, die Erfahrungen von drüben sitzen tief, auch wenn wir schon lange im Westen leben. Aber es scheint Sie nicht zu beunruhigen, daß die beiden in Kürze hier eintreffen werden. Demnach müssen Sie wohl echt sein.«
»Bis auf eine Kleinigkeit bin ich das auch. In Wirklichkeit heiße ich nicht Wagner, sondern

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