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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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mehrmals sogar. Nr. 11, das ist Kamerad Hübner, observiert das Dillinger-Haus, und er hat uns von nicht weniger als drei Kripobesuchen in Blankenese berichtet. Aber die Tochter hab’ ich ja nur als Beispiel genommen. Von der Reise nach Lübeck kann er auch einem Wohnungsnachbarn erzählt haben, der erst nach Tagen befragt wird.«
    »Trotzdem, in Ribe säße ich weit vom Schuß.«
    »Nicht weit genug. Falls man mit den Hotelangestellten redet, kann ein Phantombild von dir in die Zeitungen kommen, und ich gehe davon aus, daß auch in Ribe deutsche Blätter gelesen werden. Im früheren Nordschleswig sprechen die meisten Bewohner beide Sprachen. Begriffen?«
    »Begriffen.«
    Aber dann hatte Schmidtbauer noch eine Frage: »Und wieso ich?«
    »Auch wenn wir, der Not gehorchend, ein knallharter Verein sind, haben wir doch Herz und reißen Freundschaften nur ungern auseinander. Außerdem nehme ich an, daß euch der Fall eines gewissen Tilmann Kämmerer auf alle Zeit verbindet.«
    »Das tut er«, sagte Schmidtbauer leise.
    Sie waren in Richtung Süden gegangen, auf Braderup zu. Nun machten sie kehrt, wollten zurück nach Kampen. Wieder ging es am Flutsaum entlang. Es war die Zeit des höchsten Wasserstandes. Da kaum Wind wehte, war das Meer ruhig.
    Sie hatten lange geschwiegen. Endlich sagte der Oberst: »Es sind die alten Fälle, die uns zwingen, im Verborgenen zu leben, aber glaubt mir, das wird sich ändern! Die Stümper in Bonn haben es geschafft, unser Land an den Abgrund zu manövrieren. Die Staatsverschuldung, die Arbeitslosigkeit, das Asylproblem und die Unfähigkeit, im Osten was auf die Beine zu stellen, das alles sorgt für Aufruhr. Es gärt im Volk, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Ruf nach der starken Hand nicht nur vereinzelt, sondern im Chor ertönt. Man sieht ja schon jetzt. Die Republikaner sind auf dem Vormarsch. Natürlich haben wir uns immer als Antifaschisten verstanden, weil die Nazis soviel Mist gebaut haben, aber im Grunde, also was das System, was die Strukturen anbelangt, waren wir gar nicht so weit von ihnen entfernt. Ich verweise nur auf das Prinzip der Einheit von Partei und Staat. Na, und sobald die Republikaner, die ja schließlich keinen neuen Krieg planen und keinen neuen Völkermord wollen, sondern eben nur frustriert sind vom desolaten Zustand unseres Landes, also, sobald diese Leute Regierungsverantwortung übernommen haben, werden sie die Zusammenarbeit mit uns anstreben. Dann können wir aus unseren Nestern hervorkommen, müssen es sogar, weil man uns braucht. Besonders darum ist es wichtig, daß wir nicht vorzeitig entdeckt werden, und somit war die Lösung des Falles Fehrkamp«, er legte seine Hand auf Kopjellas Schulter, »unvermeidlich. Ich würde dir, wenn es noch ginge, einen Orden verleihen.«
    In einem Kampener Lokal holte der Oberst einen Fahr- und einen Flugplan aus seiner Jackentasche. »Ihr habt einen Zug«, sagte er, »der um eine Minute vor Mitternacht in Altona ankommt. Dort geht ihr in ein Hotel. Am nächsten Morgen fliegt ihr nach Malaga. Heller und Kragemann sind übrigens schon auf dem Weg hierher. Mit ihnen treffe ich mich morgen, und zwar gleichfalls auf dieser Insel, auf der es jetzt im Sommer von Fremden nur so wimmelt. Da wird man überhaupt nicht beachtet.« Er schob Kopjella die Pläne zu und fuhr fort: »Jetzt noch ein paar Instruktionen über euren neuen Standort. Es ist eine Olivenplantage zwischen Malaga und Granada …«
    Nach dem Essen trennten sie sich. Der Oberst blieb in Kampen. Kopjella und Schmidtbauer nahmen ein Taxi und fuhren nach Westerland. Dort hatten sie bis zur Abfahrt des Zuges noch etwas Zeit. Sie bummelten durch die Fußgängerzone, in der großes Gedränge von Menschen aller Altersklassen herrschte, und was die Kleidung betraf, war auch alles vertreten vom Mini- bis zum Abendkleid, von Nappalederhosen bis zu Jeans und Bermudashorts und Jogginganzügen.
    »Er hat recht«, sagte Schmidtbauer, »das ist die Masse, in der man nicht auffällt. An der Costa del Sol wird es ähnlich sein. Kennst du die eigentlich?«
    »Nur aus Büchern und Zeitschriften. Was hat übrigens deine Mären gesagt?«
»Hab’ ihr Kanada genannt, ein winziges Dorf am Fuße der Rocky Mountains. Ich glaub’, das war weit genug weg, jedenfalls hat sie nicht gleich Reisepläne geschmiedet.«
Kopjella sah auf die Uhr. »Es wird Zeit«, meinte er.
Sie machten kehrt, gingen zum Bahnhof.
»Wollen wir Max heute abend mal kurz besuchen?« fragte

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