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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Schöller gerade seinen achten Schnaps, aber immun gegen Beleidigungen war er damit noch immer nicht. In diesem Moment haßte er Willi und fauchte ihn an:
»Ein Geschenk braucht man ja nicht anzunehmen, du Westheld! Man kann es zurückweisen. Das habt ihr nicht getan. Raffig, wie ihr seid, habt ihr zugegriffen. Ist also euer Problem. Außerdem hoffe ich … , Moment, haben die Danaer die Trojaner denn nun in die Pfanne gehauen?«
»Hab’ ich doch grad gesagt! Sie haben die Stadt erobert.«
»Also, dann hoffe ich, daß jetzt das gleiche passiert, also daß wir euch Wessis in die Pfanne hauen.«
»Nun mach es mal halblang!« war die spontane Antwort, die er zu hören bekam, und danach die Frage: »Kannst du überhaupt deine Zeche bezahlen? Sieben Klare, das macht …«
»Acht«, korrigierte Schöller.
»Nein, sieben. Einer geht auf meine Rechnung.«
»Acht, sage ich! Von dir will ich nichts geschenkt.«
»Okay, macht zweiunddreißig Mark.«
Schöller zog einen Zwanziger und einen Zehner aus der Hosentasche, suchte weiter, erst in der Hose, dann in der Jacke, fand kein Geld mehr, mußte kapitulieren:
»Hab’ nur diese Lappen. Also nichts für ungut, Kumpel, ich … , ich zahl’ dann die sieben.«
»Ist wieder Frieden?«
»Frieden auf Erden«, antwortete Schöller. Die zwei Markstücke, die Willi ihm auf die Theke legte, wollte er zunächst als Trinkgeld zurückgeben, aber dann überlegte er es sich anders. Er stand auf, steuerte leicht schwankend die Musikbox an, schob eine Münze ein. Das Lied war ihm egal. Er hörte es sich auch gar nicht an, sondern ging hinaus.
Der Ansturm der frischen Luft warf ihn fast um, und so blieb er in der Tür stehen, atmete tief durch, sammelte Kräfte für den Heimweg, marschierte dann los. »Du und dein blödes Danaergeschenk!« lallte er in die Sommernacht, und anschließend gab er seiner Schwester eins drauf: »Ich sag’ dir, ab jetzt bestimme ich über die Quoten! Ist schließlich mein Geld. Hab’ es mir redlich verdient. Na ja, redlich, darüber läßt sich vielleicht streiten, aber ich hab’ dafür gesorgt, daß es ins Haus kam.«
Er torkelte durch die Straßen, und plötzlich fing er an zu singen, brach aber ab, als ein Pärchen seinen Weg kreuzte. Zu Hause nehm’ ich noch einen, dachte er, oder auch zwei! Die brauch’ ich noch, und sie sind viel billiger als bei diesem Westganoven. Ja, einen oder zwei, und dann kann die ganze Welt mich am Arsch lecken!
Er kam an den Waisenhausring, mußte ihn überqueren, sah erst nach links, dann nach rechts, hatte freie Bahn, verließ den Bürgersteig, steuerte die gegenüberliegende Straßenseite an. Das klappte auch einigermaßen. Es ging zwar im Zickzack-Kurs hinüber, aber im großen und ganzen hielt er die Richtung. Er war schon drüben, da kam ein Auto von links. Es fuhr sehr schnell und schlug ebenfalls, wenn auch nur ein einziges Mal, einen Haken. Ja, mit seinen linken Rädern setzte es sogar auf den Bürgersteig über.
Der Aufprall erfolgte mit ungeheurer Wucht. Schöller wurde in die Luft gewirbelt, drei, vier Meter hoch, und dann schlug er auf die Fahrbahn auf. Ein kleiner Lieferwagen, der sich von der anderen Seite her näherte, konnte gerade noch rechtzeitig bremsen. Sonst hätte es einen zweiten Stoß gegeben. Doch der erste hatte genügt. Georg Schöller war so tot wie eine Maus, die jemand auf festem Boden unter der Schuhsohle hat und dann mit seinem ganzen Menschengewicht zerdrückt.
Der Fahrer des Lieferwagens fuhr rechts heran, stieg aus und beugte sich über den reglos Daliegenden. Dann blickte er in die Richtung, aus der er selbst gekommen war, doch von dem anderen Auto konnte er nur noch die Rücklichter sehen, und auch die waren im nächsten Moment verschwunden.
Behutsam zog er das Opfer auf den Bürgersteig. Einige Anwohner hatten die Fenster geöffnet, sahen hinaus. Vermutlich hatte einer von ihnen die Polizei verständigt, denn man hörte bereits das Martinshorn. Wenig später war der Peterwagen zur Stelle und kurz darauf der Unfallwagen.
Die Beamten sperrten die Straße in einer Fahrtrichtung ab. Ein Arzt untersuchte das Opfer, stellte den Tod fest.
Aus einem der Häuser war ein Mann herausgekommen. »Das war eindeutig Mord«, erklärte er. »Der Fußgänger war schon drüben, und das Auto, das ja auf der anderen Straßenseite fuhr, weil es von da kam …«, er zeigte in die Richtung, »fuhr sogar auf den Bürgersteig, nahm den armen Kerl auf die Hörner und raste dann sofort weiter.«
»Haben Sie den Wagentyp,

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