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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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die Farbe, womöglich das Kennzeichen feststellen können?« fragte einer der Polizisten.
»Das Kennzeichen nicht, aber ich bin ziemlich sicher, daß es ein Mercedes war, dunkel, vielleicht dunkelgrau oder dunkelblau.«
Der Fahrer des Lieferwagens konnte, wenn auch nicht die Angabe zum Wagentyp, so doch die Beschreibung des Vorgangs bestätigen. »Ich hatte«, berichtete er, während ein Beamter mitschrieb, »die Lichter vor mir, und sie waren, ganz normal, von mir aus auf der linken Seite. Aber plötzlich, ich war vielleicht noch hundert Meter entfernt, schert der Wagen aus. Die Lichter gehen nach rechts rüber und dann auf den Bürgersteig. Gleich darauf seh’ ich den Mann durch die Luft fliegen.«
Der Arzt trat heran und sagte zu dem Polizisten: »Der Tote hat ’ne Fahne bis zum Himmel.«
»Aber Trunkenheit«, warf der Hausbewohner ein, »war auf keinen Fall die Ursache von seinem Tod. Ganz bestimmt nicht!«
Und dann beschrieb er das, was er gesehen hatte, noch einmal:
»Er war ja schon drüben, hatte die Straße überquert, war auf dem Bürgersteig, und da nahm der Wagen ihn regelrecht auf die Hörner.«
Inzwischen war auch die Kripo zur Stelle, und die Männer der Spurensicherung machten sich an die Arbeit. Es dauerte fast eine Stunde, bis Georg Schöller in den Unfallwagen geschoben wurde.
Er hatte sich immer nur die kleine Reise leisten können. Für eine größere hatte das Geld nie gereicht, aber nun war es die ganze große geworden, und die hatte er natürlich nicht gewollt.

24
    Montag vierzehn Uhr. Seit einigen Stunden war die Videokamera im Gästezimmer installiert. Sie stand auf einem Stativ, und ihre Linse lugte zwischen den beiden Hälften der Gardine zur anderen Straßenseite hinüber.
    Am Vormittag waren sie in die Innenstadt gefahren. Beim Start wie beim Nachhausekommen hatte er hinter den Rücksitzen gekauert, und Ein- und Aussteigen waren bei geschlossener Garagentür erfolgt.
    Auch ein Test der Kamera hatte schon stattgefunden. Genaugenommen, waren es sogar mehrere Tests gewesen, denn die anfangs von ihr eingefangenen sechs oder sieben Autos hatten nur bewiesen, daß sie und der dazugehörige Bewegungsmelder einwandfrei arbeiteten und zumindest auf Vorgänge im Bereich der Straße reagierten. Darüber hinaus aber war zu prüfen gewesen, ob auch kleinere Objekte, möglichst bei etwa dreifacher Entfernung, auf dem Film deutlich zu erkennen sein würden. Dieser Test hatte um Viertel vor zwölf stattgefunden. Mit Erfolg. Zum Glück hatte das Postauto nicht direkt vor seinem Haus gehalten, sondern war etwas weitergefahren, wie sie es allerdings auch erwartet hatten, denn sie kannten die Gewohnheiten ihres Zustellers. Er hielt nicht vor jeder Tür, sondern fertigte mit einem Stopp gleich mehrere Häuser ab. So hatte das große gelbe Fahrzeug ihn nicht verdeckt, als er das Grundstück betrat. Der Film, den sie dann vom Monitor geliefert bekamen, hatte gestochen scharf wiedergegeben, wie der Mann in der blauen Kleidung sich vor der Haustür leicht hinabbeugte und zwei Briefe in den Schlitz steckte. Auf dem sieben Meter langen Rückweg vom Haus bis zur Gartenpforte hatten sie den etwa Vierzigjährigen genau vor sich gehabt, die dunklen Augen, den dunklen Haarschopf, die frische Gesichtsfarbe. Daß er, wie meistens auf seinen Wegen, ein Lied vor sich hin pfiff, hatten sie zwar nicht hören, aber von den leicht gespitzten Lippen ablesen können. Frau Engert hatte sogar die Knöpfe an seinem hellblauen Oberhemd gezählt. »Sechs sind es!« hatte sie triumphierend ausgerufen und dann gemeint:
    »Herr Kämmerer, Ihre Idee, so ein Gerät zu kaufen, war fabelhaft. Jetzt kommt es nur noch darauf an, daß wir auch bei Nacht gute Bilder kriegen.«
    »Bestimmt kriegen wir die«, hatte er ihr geantwortet. »Sie wissen ja, ich hab’ im letzten Jahr eine automatische Außenbeleuchtung anbringen lassen. Die schaltet sich ein, sobald es dunkel wird.«
    Nun saß er im Gästezimmer. Frau Engert hatte ihm einen Kaffee gemacht und war zum Supermarkt gefahren. Er fühlte sich ausgeruht, hatte in den letzten beiden Nächten endlich wieder gut geschlafen.
    Es wurde eine Stunde der Einkehr und damit auch eine der kritischen Überprüfung seines bisherigen Vorgehens. Hatte er, fragte er sich, mit seinen während der vergangenen Tage unternommenen Schritten vielleicht übermäßig reagiert? Den Onkel, von dem er wußte, daß er krank war und seiner Hilfe bedurfte, hatte er auf unbestimmte Zeit allein gelassen. Er hatte seinen

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