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1995 - Der Tod auf Terra

Titel: 1995 - Der Tod auf Terra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Das Portrait einer ausnehmend hübschen Frau stabilisierte sich. Ihr Alter war schwer zu schätzen, sie mochte mindestens sechzig sein, also in den besten Jahren. Das Haar trug sie zu zwei seitlichen Schnecken aufgerollt, die Leuchtfarben verliehen ihr den Hauch eines Heiligenscheins. „Ich weiß, Tremond, dass ich dir fehlen werde. Die vier Wochen, die du auf Terra arbeiten wirst, erscheinen mir noch immer viel zu lang, und es wird mir schwer fallen, die Zeit ohne dich zu überbrücken. Wahrscheinlich muss ich mir eine Arbeit suchen, irgendetwas Soziales, Gemeinnütziges.
    Vierhundert Lichtjahre sind keine Entfernung. Ich bin bei dir, Tremond, und ich bin stolz auf dich, dass du zum Wirtschaftsattache berufen wurdest.
    Bis bald, mein Lieber. Ich hänge dir noch einige Aufnahmen von uns beiden an du weißt schon, unser letzter Urlaub auf Eden IV..."
    „Die Wiedergabe beenden", seufzte ich denn das letzte, was mich jetzt interessierte, war ein Familienalbum. „Die zweite Aufzeichnung projizieren."
    Die Kennung eines Interkomanschlusses flammte auf. „Hallo, Tremond. Wenn alles geklappt hat, bist du vor fünf Minuten im Herzen von Terrania angekommen." Die unverkennbar weibliche Stimme sprach Akzent, vor allem haftete ihr ein verführerisches Vibrieren an. „Ich weiß zwar nicht, was das mit der Kosmischen Fabrik im Orbit zu bedeuten hat, aber ich warte auf dich, Tremond. Nimm den Transmitter, dann haben wir fast die ganze Nacht für uns."
    Das Bild stabilisierte sich. Ich hatte es, der Stimmlage nach zu schließen, schon erwartet: Es zeigte eine Kartanin in katzenhaft geschmeidiger Pose.
    Ich vergeudete meine kostbare Zeit mit den Affären eines Diplomaten, der es versäumt hatte, seine pikante Korrespondenz gegen unbefugten Zugriff zu sichern, dabei gab es wahrhaft Wichtigeres zu tun. Ärgerlich auf mich selbst, wandte ich mich ab - hinter mir, in der Aufzeichnung, heulte der Raumalarm. „Das HQ-Hanse wurde soeben aus dem Orbit angegriffen und vermutlich vollständig zerstört", meldete eine Syntronstimme. „Alle Personen im Wohnbezirk werden aufgefordert, umgehend die nächstgelegene Transmitterstation oder die öffentlichen Verkehrsmittel für eine Evakuierung aufzusuchen! Ich wiederhole: Alle Personen ..." Ob es Tremond vergönnt gewesen war, die Nacht mit der Kartanin zu verbringen, würde ich wohl nie erfahren. Immerhin schien er es geschafft zu haben den gefährdeten Bereich des Regierungsviertels über den Transmitter zu verlassen. Er und vermutlich Dutzende andere die sich zum Zeitpunkt des Angriffs i- der Lobby aufgehalten hatten. Sie waren Hals über Kopf geflohen und nicht zurückgekehrt. Ein Reinigungsrobot wuselte noch durch die Halle und polierte den Boden aus venusischem Marmor. Um die umgeworfenen Gläser auf den Tischen kümmerte er sich nicht. Der Wohnbezirk war zur Geisterstadt geworden. Als ich das Gebäude verließ wehte mir ein warmer Wind entgegen. Ich roch Moder. Und Ozon. Eine seltsame Mischung. Überhaupt herrschte ein eigentümlich fahles Dämmerlicht, zu dunkel für den frühen Nachmittag. Ganz Terrania schien unter dicken Wolkenbänken zu liegen, die jeglicher Wetterkontrolle hohnsprachen. Der Dunst entpuppte sich als feiner Staub. Die Atmosphäre war gesättigt damit. Ich spürte ihn zwischen den Zähnen und im Gesicht, ein klebriger, amorpher Staub. Der graue Schleier dämpfte die Blütenpracht des angrenzenden Gartengeländes.
    Kurzzeitig aktivierte ich das Flugaggregat meines Raumanzugs. Auch die zwischen hohen Bäumen idyllisch gelegenen Gästehäuser wirkten verlassen. Irgendwo bellte ein Hund; Vögel stoben kreischend auf und verschwanden in den höchsten Wipfeln.
    Ich befand mich am Randbereich der Zerstörung. .Fensterlose, geschwärzte Ruinen; kein Gebäude ragte noch höher als bis zu zehn Etagen auf. Eine räumlich begrenzte Druckwelle hatte Bäume entwurzelt, Mauern aus ihren Verankerungen gerissen und einen gut ein Dutzend Kilometer durchmessenden Ringwall geschaffen.
    Mit geballten Händen stand ich da und ließ meinen Blick von Horizont zu Horizont schweifen. Vernichtung, so weit das Auge reichte - nur in der Ferne, im wehenden Dunst kaum noch auszumachen, schraubten sich wieder intakte Bauwerke in den Himmel. Der Krater selbst war ein Meer von Trümmern, grau, trist und bedrückend, in Stein erstarrte Wogen der Vernichtung. Tief hatte sich der Waffenstrahl von WAVE ins Erdreich hineingefressen, aber dort unten glühte kein Magmasee, dessen Höllentemperaturen

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