1999 - Der Puls
nicht, bis der Beauftragte der Superintelligenz das Wort ergriff. „Kosmische Fabriken haben offenbar sämtliche Thoregon-Zentralwelten abgeriegelt und die Bevölkerungen als Geiseln genommen", sagte er. „Auch die Erde befindet sich in der Gewalt eines Dieners der Materie. Du mußt ES umgehend auffordern, Hilfe an Terra, Galorn und all die anderen Welten zu schicken."
Auf dem dunklen Metall von Keraetes Gesicht schimmerten Lichtimpulse. Sie bildeten einen eigentümlichen Kontrast zu der Dunkelheit des Stoffes. Auch jetzt konnte Rhodan einfach nicht sagen, welche Farbe genau das äußerst hochwertige Material aufwies. Wissenschaftler hatten mittlerweile geschlossen, daß seine Eigenschaften an sich instabil waren und sich den Gegebenheiten der Umgebung anpaßten.
Rhodan mußte unwillkürlich an Laire denken. An Samkar. Und an Cairol. Botschafter der Kosmokraten, und die wiederum waren Entitäten einer noch höheren Stufe der kosmischen Evolution, als sogar ES sie einnahm. Und an die Erfahrungen, die er mit ihnen gemacht hatte.
Das Schweigen zwischen Rhodan und Keraete wurde allmählich unangenehm.
Der Unsterbliche versuchte, etwas in den Augen - den Linsen - des Boten zu lesen.
Vergeblich. Genausogut hätte er versuchen können, Gefühlsregungen eines Roboters zu deuten.
Träumen Roboter von elektrischen Schafen? fragte Rhodan sich. Und: Wovon träumt Keraete?
Von seinem neuen, überlegenen Körper? Von den Geheimnissen, in die ES ihn einweiht, damit er sie brockenweise weitergibt? Von kosmischen Schachspielen übergeordneter Entitäten? Oder von der Zeit, als er noch ein Mensch aus Fleisch und Blut war, vielleicht eine Frau, eine Freundin hatte?
Was dachte der Bote? War er im Grunde seines Herzens - nein, seines Gehirns, denn er hatte kein Herz mehr - noch ein Mensch? Hatte er Verständnis, ja sogar Mitgefühl für die Nöte, die Rhodan umtrieben? Oder war er nichts weiter als ein willenloser Laufbursche von ES, der seine Identität schon längst verloren hatte?
Nach einer Zeitspanne, die Rhodan wie eine halbe Ewigkeit vorkam, hatte er den Eindruck, Lotho Keraete würde seufzen. Aber es war genausogut möglich, daß er sich täuschte.
„ES kann keine Hilfe schicken", sagte Keraete schließlich. „ES ist hier unabkömmlich."
Rhodan hätte am liebsten laut aufgeschrien. Wieso nur hatte er mit genau dieser Antwort gerechnet?
„Aber es gibt einen anderen und nur einen", fuhr Keraete fort, „der der Erde vielleicht Rettung bringen kann."
Rhodan kniff die Augen zusammen. Das Herz des Unsterblichen setzte einen Schlag lang aus.
„Ich?" sagte er dann. „Ich?"
Keraete nickte. „Nur du kannst Terra vor dem Untergang bewahren, Rhodan. Die Milchstraße. Die Thoregon-Galaxien. Und vielleicht... vielleicht... falls es zum Äußersten kommt... sogar dein gesamtes Universum."
*
„Das... ganze... Universum?" flüsterte Rhodan. „Die Vision", flüsterte er. Sie drängte sich ihm wieder auf, das Bild der Unsterblichen, der letzten Wesen der gesamten Schöpfung. Auf Thagarum hatte er es gesehen, als er auf der Brücke in die Unendlichkeit unterwegs war, um die Hilfe der anderen Boten von Thoregon zu suchen.
Er schüttelte sich, damit die Erinnerung an diesen Traum nicht übermächtig wurde, und sofort zuckte ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf: Der Erbe des Universums! Er hatte dieses Orakel stets für eine Umschreibung gehalten. Steckte das dahinter, was Lotho Keraete nun zweifellos von ihm verlangen würde? Sollte er das Universum nicht erben, sondern bewahren? Oder mußte er es bewahren, um es erben zu können?
„Ich?" wiederholte er fassungslos. „Nur ich kann das?"
Keraete nickte ernst.
„Seit drei Jahren", sagte Rhodan, „läßt man mich im ungewissen. Beantwortet man meine Fragen mit Ausflüchten und Andeutungen. Redet man um den heißen Brei herum. Läßt man mich nicht vor den Rat von Thoregon treten. Erteilt man mir Aufträge, ohne mir deren Bedeutung zu enthüllen. Und jetzt soll ich, ein bloßer Mensch, der ins Spiel übermächtiger Entitäten verstrickt wurde, etwas vollbringen, zu dem nicht einmal ES imstande ist?"
„Du bist kein bloßer Mensch mehr", erinnerte ihn das Metallwesen. „Auch wenn du es dir nicht eingestehen willst, soviel muß dir mittlerweile klar sein."
Rhodan überging den Einwand. „Also, Lotho Keraete, Bote von ES - was ist Thoregon, und welche Motive und Geheimnisse stehen dahinter?"
Rhodan glaubte zu wissen, was er nun hören würde. Er hätte
Weitere Kostenlose Bücher