1Q84: Buch 1&2
ich noch dabei. Aber mit dieser zwielichtigen Firma will ich nichts zu tun haben. Das ist doch ganz klar organisierter Betrug!«
»Mein lieber Tengo, du kannst jetzt nicht mehr zurück«, sagte Komatsu. »Organisierter Betrug? Natürlich, so könnte man es nennen. Aber das hast du doch von Anfang an gewusst. Wir hatten doch von vornherein den Plan, die Öffentlichkeit mit Fukaeri als quasi fiktiver Autorin zu täuschen. Hast du das vergessen? Natürlich geht es dabei um Geld, und wir brauchen ein ausgeklügeltes System, um damit umzugehen. Das ist kein Kinderspiel. Aber jetzt zu jammern ›Ich hab Angst, ich will nichts damit zu tun haben, ich brauche kein Geld‹, das gilt nicht. Wenn du aus dem Boot aussteigen willst, hättest du das früher tun müssen, als die Strömung noch ruhig war. Jetzt ist es zu spät. Um eine Firma zu gründen, braucht man die Namen von ein paar Personen. Leider muss ich von dir verlangen, dass du der Firma beitrittst. Wenn du formal dabei bist, wird alles prima laufen.«
Tengo rauchte der Kopf. Was nicht hieß, dass ein einziger guter Gedanke darin schmorte.
»Eine Frage habe ich noch«, sagte Tengo. »Ihren Äußerungen entnehme ich, dass Professor Ebisuno sich vorbehaltlos an dem Plan beteiligen will. Es klingt, als hätte er schon zugestimmt, diese Scheinfirma mit Ihnen zu gründen und ihr Repräsentant zu werden.«
»Der Professor hat mir als Fukaeris Vormund grünes Licht gegeben. Ich habe ihn damals, nachdem du mir berichtet hattest, sofort angerufen. Er erinnert sich natürlich an mich. Er wollte nur mal deine Einschätzung hören. Er sei beeindruckt von deiner Menschenkenntnis, sagt er. Was hast du dem Professor denn über mich gesagt?«
»Was in aller Welt bringt ihn dazu, bei diesem Plan mitzumachen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es wegen des Geldes tut.«
»Natürlich nicht. Er ist wahrhaftig kein Mensch, der hinterm Geld her ist.«
»Aber warum beteiligt er sich dann an so einem riskanten Plan? Irgendetwas muss ihn doch dazu bewogen haben.«
»Das weiß ich auch nicht. Er ist nicht leicht zu durchschauen. Ein recht abgründiger Mensch, bei dem man nicht so leicht in die Tiefe blicken kann.«
»Also wenn nicht einmal Sie ihn durchschauen, Herr Komatsu, müssen diese Abgründe ja ziemlich tief sein.«
»Stimmt«, sagte Komatsu. »Er wirkt wie ein harmloser alter Mann, aber in Wirklichkeit ist er ein ganz geheimnisvoller Typ.«
»Inwieweit weiß Fukaeri über all das Bescheid?«
»Fukaeri braucht von alldem nichts zu wissen. Sie vertraut dem Professor, und sie mag dich. Deshalb muss ich dich ja auch bitten, uns noch mal zu helfen.«
Tengo wechselte den Hörer in die andere Hand. Er musste irgendwie auf den Stand der Dinge kommen. »Professor Ebisuno arbeitet ja nicht mehr als Wissenschaftler. Er hat die Universität verlassen, und Bücher schreibt er auch keine mehr.«
»Ja, mit der Wissenschaft hat er seit einiger Zeit ganz klar gebrochen. Er war ein brillanter Gelehrter, kam aber in den akademischen Kreisen wohl nicht besonders gut zurecht. Er ist zu nonkonformistisch und war nie richtig in der Lage, Autoritäten anzuerkennen und sich in bestehende Strukturen einzufügen.«
»Und welchen Beruf übt er im Augenblick aus?«
»Offenbar betätigt er sich als Aktienmakler«, sagte Komatsu. »Oder, falls dir die Bezeichnung zu altmodisch ist, Investment Consultant. Er hat eine Menge Kapital auf die Seite gebracht und durch bestimmte Bewegungen große Gewinnspannen erzielt. Von diesem Berg aus, auf den er sich zurückgezogen hat, gibt er seine Instruktionen zu Kauf und Verkauf. Er hat einen ziemlich guten Riecher. Er ist sehr gut in der Analyse von Informationen und hat ein eigenes System entwickelt. Anfangs war es wohl mehr ein Hobby, aber bald hat er einen Beruf daraus gemacht. So ungefähr. Er scheint in der Branche ziemlich bekannt zu sein. Eins kann man mit Sicherheit sagen – er ist finanziell unabhängig.«
»Mir ist nicht ganz klar, welche Verbindung zwischen Kulturanthropologie und Aktienhandel besteht.«
»Allgemein betrachtet gibt es da auch keine. Aber für ihn offenbar schon.«
»Der Mann ist undurchschaubar.«
»So ist es.«
Tengo presste kurz die Fingerkuppen gegen die Schläfe. »Ich treffe mich also übermorgen um sechs Uhr mit Fukaeri in dem üblichen Café in Shinjuku, und wir besprechen die Pressekonferenz, auf die ihr beide gehen sollt. So ist es doch gedacht, oder?«
»Das ist der Plan«, sagte Komatsu. »Also, mein lieber Tengo,
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