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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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denk daran, das sind nur vorübergehende Schwierigkeiten. Überlass dich einfach der Strömung. So was passiert im Leben immer wieder. Auf der Welt geht es zu wie in einem fulminanten Schelmenroman. Rechne mit dem Schlimmsten, und freu dich noch am übelsten Gestank. Lass uns die Fahrt durch die Stromschnellen genießen. Und wenn wir einen Wasserfall hinunterstürzen, gehen wir gemeinsam mit Pauken und Trompeten unter.«
    Zwei Abende später traf Tengo sich mit Fukaeri in dem Café in Shinjuku. Sie trug einen leichten Sommerpullover, unter dem ihre Brüste sich deutlich abzeichneten, und enge Bluejeans. Ihre langen Haare waren offen, und ihre Haut strahlte. Alle Männer sahen sich verstohlen nach ihr um. Tengo spürte ihre Blicke. Doch Fukaeri selbst schien nichts davon zu merken. Eine junge Frau wie sie würde durchaus einiges Aufsehen erregen, wenn sie den Literaturpreis entgegennahm.
    Er hatte Fukaeri schon angerufen, und sie wusste, dass »Die Puppe aus Luft« den Preis bekommen hatte. Sie machte allerdings nicht den Eindruck, als würde sie sich besonders freuen. Es schien ihr ziemlich gleichgültig zu sein, dass sie den Preis bekommen hatte. Der Tag war fast sommerlich warm, dennoch bestellte sie eine heiße Schokolade. Sie trank andächtig, den Becher mit beiden Händen umschließend. Von der Pressekonferenz hatte er ihr noch nichts gesagt, doch auch als sie davon hörte, zeigte sie keine Reaktion.
    »Du weißt schon, was eine Pressekonferenz ist, oder?«
    »Pressekonferenz«, wiederholte Fukaeri.
    »Reporter von Zeitungen und Zeitschriften kommen zusammen und stellen dir alle möglichen Fragen. Du sitzt auf einem Podium. Es werden auch Fotos gemacht. Vielleicht kommt auch das Fernsehen. Deine Antworten werden im ganzen Land verbreitet. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass eine Siebzehnjährige den Preis für das beste Erstlingswerk der Zeitschrift Literatur und Kunst erhält. Diese Nachricht ist von gesellschaftlicher Bedeutung. Die Sensation ist, dass alle Juroren einstimmig dein Buch gewählt haben. Das ist normalerweise nie der Fall.«
    »Sie stellen Fragen«, erkundigte sich Fukaeri.
    »Sie stellen Fragen, und du beantwortest sie.«
    »Was für Fragen.«
    »Verschiedene. Über dein Buch, über dich, dein Privatleben, deine Hobbys, deine Pläne für die Zukunft. Vielleicht ist es besser, wenn wir schon einmal ein paar Antworten auf diese Fragen vorbereiten.«
    »Warum.«
    »Weil es sicherer ist. Damit du bei der Antwort nicht stecken bleibst oder etwas sagst, das zu Missverständnissen führt. So eine Art Probe kann nicht schaden.«
    Fukaeri trank wortlos ihren Kakao und musterte Tengo mit einem Blick des Inhalts: Interessiert mich nicht, aber wenn Sie es für nötig halten. Bisweilen sagten ihre Augen mehr als ihr Mund. Zumindest sprachen sie in ganzen Sätzen. Leider ließ sich eine Pressekonferenz nicht nur mit Blicken bestreiten.
    Tengo nahm ein paar Blätter mit mutmaßlichen Fragen aus seiner Mappe und breitete sie auf dem Tisch aus. Er hatte sich am Abend zuvor noch das Hirn darüber zermartert.
    »Ich stelle jetzt Fragen wie ein Zeitungsreporter, und du beantwortest sie, ja?«
    Fukaeri nickte.
    »Haben Sie bisher schon viel geschrieben?«
    »Ja«, antwortete Fukaeri.
    »Wann haben Sie mit dem Schreiben angefangen?«
    »Vor langer Zeit.«
    »Das reicht völlig aus«, sagte Tengo. »Deine Antworten können ruhig kurz sein. Du brauchst nichts Überflüssiges zu erzählen. So genügt es völlig. Schließlich hat Azami alles für dich aufgeschrieben, oder?«
    Fukaeri nickte.
    »Das brauchst du aber nicht zu sagen. Das ist ein Geheimnis zwischen dir und mir.«
    »Ich sage nichts«, versprach Fukaeri.
    »Haben Sie damit gerechnet, den Debütpreis zu bekommen?«
    Sie lächelte und schwieg. Das Schweigen dauerte an.
    »Möchten Sie darauf nicht antworten?«, fragte Tengo.
    »Genau.«
    »Ganz prima. Wenn du nicht antworten willst, lächelst du nur freundlich. Bei jeder dummen Frage.«
    Fukaeri nickte wieder.
    »Woher haben Sie denn die Geschichte der ›Puppe aus Luft‹?«
    »Von der blinden Ziege.«
    »›Blinde Ziege‹ klingt nicht gut«, sagte Tengo. »Besser du sagst: ›von einer Ziege, die nicht sehen kann.‹«
    »Warum.«
    »›Blind‹ ist ein diskriminierender Begriff. Einer der Reporter könnte einen Herzanfall erleiden.«
    »Diskriminierender Begriff.«
    »Es würde zu lange dauern, dir das zu erklären. Sag statt ›blinde Ziege‹ einfach Ziege, die nicht sehen kann ,

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