1Q84: Buch 1&2
keine Ahnung?«, fragte Tengo.
»Es mag verantwortungslos klingen, aber es trifft den Kern der Sache. Wir werfen einen Stein in einen tiefen Teich. Platsch. Das Geräusch ist überall zu hören. Wir warten mit angehaltenem Atem, was anschließend aus dem Teich kommt.«
In die Betrachtung der Ringe versunken, die sich auf der Wasseroberfläche ausbreiteten, schwiegen alle drei. Tengo wartete, bis er meinte, die fiktiven Wellenringe könnten sich gelegt haben.
»Ich habe schon einmal davon gesprochen«, sagte er nachdrücklich. »Aber das, was wir hier tun, ist eine Art Betrug. Man könnte es vielleicht auch asozial nennen. Womöglich geht es inzwischen auch um eine nicht geringe finanzielle Summe. Die Lügen werden lawinenartig zunehmen. Eine Lüge ruft die nächste auf den Plan, bis das Lügengespinst am Ende undurchdringlich und nicht mehr zu kontrollieren ist. Und wenn dann die Wahrheit ans Licht kommt, nehmen alle Beteiligten Schaden, Eri eingeschlossen. Im schlimmsten Fall sind wir ruiniert und werden gesellschaftlich geächtet. Da stimmen Sie mir doch zu, nicht wahr?«
Der Professor legte die Hand an den Rand seiner Brille. »Tja, widersprechen kann ich Ihnen jedenfalls nicht.«
»Dennoch will Herr Komatsu, wie er mir gesagt hat, Sie zum Repräsentanten einer fiktiven Firma machen, die Die Puppe aus Luft vermarkten soll. Das heißt, Sie wollen sich an vorderster Front an Herrn Komatsus Plan beteiligen. Mit anderen Worten, Sie sind von sich aus bereit, Ihren guten Namen zu beschmutzen.«
»Auf lange Sicht könnte es dazu kommen.«
»Soweit ich es beurteilen kann, sind Sie eine Person von herausragender Intelligenz und gesundem Menschenverstand, die sich eine unabhängige Weltsicht erworben hat. Aber Sie haben keine Ahnung, wie diese Sache ausgehen wird. Sie sagen, man kann nie vorhersehen, was einen um die nächste Ecke erwartet. Dennoch kann ich einfach nicht begreifen, warum ein Mensch wie Sie, Herr Professor, sich für so etwas hergibt.«
»Ihre unverdiente Wertschätzung ehrt und beschämt mich, und an sich …« – der Sensei machte eine Atempause – »verstehe ich sehr gut, was Sie sagen wollen.«
Sie schwiegen.
»Niemand weiß, was wird«, warf Fukaeri plötzlich ein. Und hüllte sich sogleich wieder in ihr ursprüngliches Schweigen. Die Tasse mit der Schokolade war inzwischen leer.
»So ist es«, sagte der Professor. »Niemand weiß, was wird. Eri hat ganz recht.«
»Aber irgendeine Absicht müssen Sie doch verfolgen«, sagte Tengo.
»Tue ich auch«, sagte Professor Ebisuno.
»Darf ich eine Vermutung äußern?«
»Gewiss.«
»Sie hoffen, im Zuge der Veröffentlichung von Die Puppe aus Luft kommt vielleicht ans Licht, was mit Fukaeris Eltern passiert ist. Ist es das, was Sie mit dem Stein, den man in einen Teich wirft, gemeint haben?«
»Ihre Vermutung trifft ungefähr zu«, sagte Professor Ebisuno. »Sollte Die Puppe aus Luft ein Bestseller werden, wird es bei uns von Journalisten wimmeln wie von Karpfen in einem Teich. Eigentlich herrscht jetzt schon ein ganz schöner Rummel. Seit der Pressekonferenz können wir uns vor Anfragen von Zeitschriften und Fernsehsendern kaum retten. Natürlich lehnen wir alles ab, doch sobald das Buch erschienen ist, wird sich die Lage noch zuspitzen. Wenn wir jedoch den Medien von uns aus kein Material liefern, werden sie alle Hebel in Bewegung setzen, um etwas über Eri herauszufinden. Und früher oder später wird ihre Identität ans Licht kommen. Wer ihre Eltern sind, wo und wie sie aufgewachsen ist. Und ob jetzt jemand für sie sorgt. Das ist Stoff für hochinteressante Nachrichten. Nicht dass ich so etwas gern täte. Momentan führe ich ein sehr behagliches Leben in den Bergen und möchte auf keinen Fall die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf mich ziehen. Das würde nicht den geringsten Vorteil bringen. Aber ich will einen Köder auslegen und damit das Interesse der Medien auf Eris Eltern lenken. Wo sie sind und was sie machen . Die Medien könnten sich dort einschalten, wo die Polizei nichts tun kann oder nichts tun will. Ich hoffe, im günstigsten Fall können wir auf dieser Welle reiten und die beiden vielleicht retten. Die Fukadas stehen mir sehr nah, außerdem sind sie natürlich Eris Eltern. Wir können nicht einfach hinnehmen, dass sie verschwunden sind.«
»Angenommen, das Ehepaar Fukada hält sich noch auf dem Gelände der Sekte auf – welchen Grund könnte es geben, die beiden seit sieben Jahren gefangen zu halten? Das ist eine
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