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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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haben völlig recht. Unter normalen Umständen wäre das unnötig. Aber vielleicht kennt Fukada ein bestimmtes Geheimnis der Vorreiter. Eins, das auf keinen Fall öffentlich bekannt werden darf. Und sie konnten ihn deshalb nicht einfach rauswerfen.
    Als Gründer der ursprünglichen Gemeinschaft hat Fukada lange eine bedeutende Rolle gespielt. Er war der Anführer und muss von Anfang an restlos alles gewusst haben, was in der Gruppe vorgegangen ist. Vielleicht wurde er einfach zu einem Mann, der zu viel wusste. Außerdem war sein Name in der Öffentlichkeit ziemlich bekannt. Tamotsu Fukada war eine wichtige Figur der Zeit und ist vielen heute noch der Inbegriff von Charisma. Bei einem Austritt Fukadas hätte alles, was er sagte und tat, wenn vielleicht auch von ihm ungewollt, Aufmerksamkeit erregt. Selbst wenn sich das Ehepaar Fukada von der Gruppe lossagen wollte, konnten die Vorreiter die beiden vielleicht nicht einfach gehen lassen.«
    »Sie, Herr Professor, wollen also durch das sensationelle Debüt von Tamotsu Fukadas Tochter Eri und den Aufstieg von Die Puppe aus Luft zum Bestseller öffentliches Interesse erregen und damit Bewegung in die verfahrene Situation bringen.«
    »Sieben Jahre sind eine sehr lange Zeit. Alles, was ich währenddessen unternommen habe, ist fehlgeschlagen. Wenn ich nicht hier und jetzt die Gelegenheit ergreife, wird das Rätsel vielleicht nie gelöst.«
    »Eri soll der Köder sein, mit dem Sie den Tiger aus dem Dickicht locken.«
    »Was dabei herauskommt, weiß niemand. Ein Tiger ist unberechenbar.«
    »Aber nach allem, was passiert ist, scheint es, als hätten Sie etwas Gewaltsames im Hinterkopf, Herr Professor.«
    »Diese Möglichkeit besteht«, sagte der Sensei nachdenklich. »Das ist Ihnen wahrscheinlich auch klar. In einer luftdicht abgeschlossenen Gruppe von Gleichgesinnten kann alles Mögliche geschehen.«
    Es herrschte bedrücktes Schweigen. Fukaeri sprach in dieses Schweigen hinein.
    »Weil die Little People gekommen sind«, sagte sie leise.
    Tengo blickte Fukaeri, die neben dem Professor saß, ins Gesicht. Es war wie immer ausdruckslos.
    »Willst du damit sagen, die Little People seien gekommen und hätten etwas bei den Vorreitern verändert?«, fragte Tengo.
    Statt zu antworten, spielte Fukaeri nur mit den Knöpfen ihrer Bluse.
    Ebisuno sprach in Eris Schweigen hinein. »Welche Bedeutung diese ›Little People‹ haben, die Eri beschreibt, weiß ich nicht. Offenbar kann sie nicht mit Worten erklären, was sie eigentlich sind. Oder sie will es auch gar nicht. Sicher scheint mir jedoch, dass die Little People bei der abrupten Wende der Vorreiter von der Landkommune zur religiösen Sekte eine Rolle gespielt haben.«
    »Oder etwas, das den Little People ähnelt«, sagte Tengo.
    »Genau«, sagte der Professor. »Was es nun genau war, ob Little People oder etwas, das ihnen gleicht, weiß ich nicht. Zumindest scheint Eri uns mit dem Auftritt dieser Little People in ihrer Geschichte etwas Wichtiges sagen zu wollen.«
    Professor Ebisuno sah einen Moment auf seine Hände, blickte jedoch sofort wieder auf und fuhr fort.
    »George Orwell lässt in 1984 – Sie kennen den Roman natürlich – den Großen Bruder auftreten. Bei ihm ist das eine Allegorie für den Stalinismus, und der Begriff ›Big Brother‹ ist seither das Sinnbild für eine totalitäre Gesellschaft schlechthin. Heute, im realen Jahr 1984, ist der Große Bruder so berühmt, dass er zugleich transparent geworden ist. Würde er auftauchen, man würde mit Fingern auf ihn zeigen: ›Achtung, aufgepasst! Big Brother!‹ Mit anderen Worten, in unserer Welt gibt es keine Bühne mehr für einen Big Brother. Stattdessen treten nun Wesen wie die Little People auf den Plan. Ein hochinteressanter Kontrast in der Begrifflichkeit, finden Sie nicht?«
    Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Professors, während er Tengo ansah.
    »Die Little People sind unsichtbar. Wir wissen nicht einmal, ob sie gut sind oder böse, ob es sie wirklich gibt oder nicht. Doch anscheinend untergraben sie unmerklich den Boden unter unseren Füßen.« Professor Ebisuno machte eine kurze Pause. »Um zu erfahren, was dem Ehepaar Fukada und Eri selbst zugestoßen ist, müssen wir wohl erst einmal wissen, wer oder was die Little People sind.«
    »Sie wollen also versuchen, die Little People hervorzulocken?«, fragte Tengo.
    »Kann man etwas hervorlocken, von dem man nicht weiß, ob es wirklich existiert oder nicht?«, sagte der Professor. Noch immer umspielte

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