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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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ein Lächeln seinen Mund. »Es wäre schon besser, wenn der ›Tiger‹, von dem Sie gesprochen haben, nicht real wäre, oder?«
    »Aber Eri darf auf keinen Fall der Köder sein.«
    »Das Wort Köder passt eigentlich nicht richtig. Eher könnte man sagen, wir lösen einen Wirbel aus. Und warten darauf, dass sich alles mit diesem Wirbel zu drehen beginnt.«
    Der Professor ließ einen Finger langsam durch die Luft kreisen. »Eri befindet sich im Zentrum dieses Wirbels«, fuhr er fort. »Und wer im Zentrum ist, braucht sich nicht zu bewegen. Die anderen kreisen um ihn.«
    Tengo hörte schweigend zu.
    »Und – wenn Sie mir gestatten, Ihren Vergleich zu verwenden – nicht nur Eri, sondern wir alle könnten zum Köder werden.« Der Professor sah Tengo mit zusammengekniffenen Augen an. »Sie eingeschlossen.«
    »Ich wurde doch nur beauftragt, ›Die Puppe aus Luft‹ zu überarbeiten. Ich bin sozusagen ein subalterner Techniker. Das hat Herr Komatsu mir von Anfang an gesagt.«
    »Ich verstehe.«
    »Aber die Sachlage scheint sich allmählich zu ändern«, sagte Tengo. »Sie haben Herrn Komatsus Plan Ihrem Kurs entsprechend angepasst, nicht wahr?«
    »Nein, mein Ziel ist es nicht, Komatsus Kurs zu ändern. Er verfolgt sein Ziel, ich meins. Im Augenblick führen unsere Wege nur zufällig in die gleiche Richtung.«
    »Zwei Menschen mit verschiedenen Zielen reiten auf einem Pferd. Bis zu einem gewissen Punkt haben sie den gleichen Weg, aber was dann kommt, wissen sie nicht.«
    »Als Schriftsteller drücken Sie das hervorragend aus.«
    Tengo seufzte. »Ich finde das keine besonders verlockende Perspektive. Aber jetzt gibt es wohl kein Zurück mehr.«
    »Selbst wenn wir zurückkönnten, wäre es schwierig, den Ausgangspunkt wiederzufinden«, sagte Professor Ebisuno.
    Tengo fiel nichts mehr ein, was er noch hätte sagen können.
    Professor Ebisuno erhob sich als Erster. Er habe noch einen Termin in der Gegend. Fukaeri blieb zurück. Eine Weile saßen Tengo und sie einander schweigend gegenüber.
    »Hast du Hunger?«, fragte er schließlich.
    »Eigentlich nicht«, sagte Fukaeri.
    Da es voll wurde, verließen die beiden in schweigender Übereinkunft das Café. Ziellos schlenderten sie durch die Straßen von Shinjuku. Es war fast sechs Uhr, und Ströme von Menschen eilten auf den Bahnhof zu. Der Himmel war noch hell. Die Strahlen der frühsommerlichen Sonne lagen über der Stadt. Wenn man aus dem unterirdischen Café kam, wirkte diese Helligkeit seltsam künstlich.
    »Wohin gehst du jetzt?«, fragte Tengo.
    »Nirgendwohin«, sagte Fukaeri.
    »Soll ich dich nach Hause bringen?«, fragte Tengo. »Also nach Shinanomachi. Du übernachtest heute sicher dort?«
    »Nein, ich fahre nicht dorthin«, sagte Fukaeri.
    »Warum nicht?«
    Sie antwortete nicht.
    »Hast du das Gefühl, du solltest lieber nicht dorthin fahren?«, hakte Tengo nach.
    Fukaeri nickte stumm.
    Er hätte gern gefragt, warum sie das für besser hielt, aber er ahnte, dass er ohnehin keine befriedigende Antwort erhalten würde.
    »Also fährst du zu Professor Ebisunos Haus zurück?«
    »Futamatao ist zu weit.«
    »Kannst du denn noch woandershin?«
    »Ich möchte bei Ihnen übernachten«, sagte Fukaeri.
    »Das wäre wahrscheinlich nicht gut«, erwiderte Tengo nachdrücklich. »Meine Wohnung ist klein, und ich lebe allein. Professor Ebisuno würde das bestimmt nicht erlauben.«
    »Dem Sensei macht das nichts aus«, sagte Fukaeri. Sie machte eine Bewegung, als würde sie mit den Schultern zucken. »Und mir auch nicht.«
    »Aber mir vielleicht«, sagte Tengo.
    »Warum.«
    »Also …«, setzte Tengo an, aber er brachte nichts weiter heraus. Er konnte sich nicht an die Worte erinnern, zu denen er angesetzt hatte. Mitunter kam es vor, wenn er mit Fukaeri sprach, dass er für einen Moment aus den Augen verlor, in welchem Zusammenhang er was hatte sagen wollen. Als würde sich mitten in einem Konzert plötzlich ein starker Wind erheben und die Notenblätter davontragen.
    Fukaeri streckte die rechte Hand aus und griff sanft nach Tengos linker, um ihn zu beruhigen.
    »Sie verstehen nicht richtig«, sagte sie.
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Dass wir eins sind.«
    »Eins?«, wiederholte Tengo verblüfft.
    »Wir haben das Buch zusammen geschrieben.«
    Tengo spürte in seiner Hand die Kraft von Fukaeris Fingern. Keine starke, aber eine harmonische und sichere Kraft.
    »Stimmt. Wir haben die Geschichte von der ›Puppe aus Luft‹ zusammen geschrieben, und wenn der Tiger kommt, werden wir

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