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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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einzufangen. Er hat erfahren, dass ich Tengo suche, und benutzt ihn jetzt als Köder. Der Kerl ist mit allen Wassern gewaschen. Und er hat meinen Schwachpunkt gefunden. Bestimmt ist das alles nur ein Trick, um mich dazu zu bringen, die Tür meiner Wohnung von innen zu öffnen.
    Aomame vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, und zog die Pistole aus dem hinteren Hosenbund. Sie entsicherte sie und steckte sie griffbereit in die rechte Tasche ihrer Daunenjacke. Sie legte den Zeigefinger auf den Abzug. Mit dem linken Daumen drückte sie den Klingelknopf.
    Sie hörte, wie es läutete, ein langsamer Glockenton, ganz anders als der rasende Rhythmus, in dem ihr Herz schlug. Ihre Waffe umklammernd, wartete sie darauf, dass die Tür sich öffnete. Aber sie tat es nicht. Es machte auch nicht den Anschein, als würde jemand durch den Spion schauen. Nach einer Weile drückte sie die Klingel noch einmal. Wieder ertönte das Läuten. Es war so laut, dass wahrscheinlich sämtliche Bewohner des Bezirks Suginami es hörten. Aomames rechte Hand an der Waffe wurde feucht. Wieder keine Reaktion.
    Sie sollte lieber verschwinden. Der Mieter namens Kawana aus 303 war, um wen auch immer es sich handelte, offenbar nicht zu Hause. Und irgendwo in diesem Gebäude lag der grauenhafte Wasserkopf auf der Lauer. Sich noch länger hier aufzuhalten war zu gefährlich. Sie rannte die Treppe hinunter und verließ, nachdem sie noch einen kurzen Blick auf den Briefkasten geworfen hatte, das Haus. Mit gesenktem Kopf eilte sie unter der gelblichen Beleuchtung hindurch auf die Straße. Sie drehte sich um und vergewisserte sich, dass ihr niemand folgte.
    Sie musste über so vieles nachdenken. Und ebenso viele Entscheidungen treffen. Sie sicherte die Waffe und steckte sie unauffällig wieder hinten in den Hosenbund. Du darfst dir nicht zu große Hoffnungen machen, sagte Aomame zu sich. Und nicht zu viele Wünsche haben. Vielleicht ist der Kawana, der dort wohnt, wirklich Tengo. Aber vielleicht auch nicht. Kaum entsteht ein Hoffnungsschimmer, macht das Herz sich selbständig. Zerschlägt sich die Hoffnung, ist man enttäuscht, Enttäuschung führt zu Verzweiflung, und Verzweiflung bedeutet Schwäche. Man wird nachlässig und ist nicht mehr auf der Hut. Und das ist im Augenblick die größte Gefahr für mich.
    Keine Ahnung, inwieweit der Wasserkopf Bescheid weiß. Aber faktisch kommt er mir ständig näher. Er ist schon zum Greifen nah. Ich muss mich zusammenreißen und aufpassen wie ein Luchs. Mein Gegner ist gefährlich, er macht keine Fehler. Ein winziger Irrtum meinerseits kann tödlich sein. Vor allem darf ich nicht mehr in die Nähe dieses alten Mietshauses gehen. Irgendwo in diesem Gebäude liegt er auf der Lauer und denkt sich Tricks aus, um mich zu erwischen. Wie eine giftige, blutsaugerische Spinne, die ihr Netz in einer finsteren Ecke spinnt.
    Auf dem Rückweg zur Wohnung fasste sie einen Entschluss. Für sie gab es nur einen Weg.
     
    Zu Hause angekommen, rief Aomame Tamarus Nummer an. Sie ließ es zwölfmal klingeln, bevor sie aufgab. Sie zog Jacke und Mütze aus, legte die Waffe wieder in die Schublade und trank zwei Gläser Wasser. Dann füllte sie Wasser in den Kessel und erhitzte es, um sich schwarzen Tee zu kochen. Sie spähte durch den Vorhangspalt in den Park jenseits der Straße, um sich zu überzeugen, dass niemand dort war, stellte sich vor den Spiegel im Bad und bürstete sich die Haare. Doch ihre Finger waren noch immer steif vor Anspannung. Als sie das heiße Wasser in die Teekanne füllte, läutete das Telefon. Natürlich war es Tamaru.
    »Ich habe gerade den Wasserkopf gesehen«, sagte Aomame.
    Schweigen. »Gerade gesehen bedeutet, dass er jetzt nicht mehr da ist?«
    »Richtig«, sagte Aomame. »Vor kurzem war er in dem Park gegenüber. Aber jetzt ist er weg.«
    »Vor kurzem heißt vor wie langer Zeit?«
    »Vor ungefähr vierzig Minuten.«
    »Und warum hast du vierzig Minuten lang nicht angerufen?«
    »Keine Zeit, ich musste ihm sofort hinterher.«
    Tamaru atmete so langsam aus, als müsse er die Luft aus seinen Lungen herauspressen. »Du musstest hinterher?«
    »Ich wollte ihn nicht aus den Augen verlieren.«
    »Ich dachte, du verlässt unter keinen Umständen das Haus.«
    Aomame sprach sehr überlegt. »Aber wenn Gefahr im Verzug ist, kann man doch nicht einfach dasitzen und zuschauen. Selbst wenn ich dich angerufen hätte, hättest du ja nicht sofort herkommen können, oder?«
    Eine kleiner Laut drang aus Tamarus Kehle.

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