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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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dass auch er verfolgt werden könnte.
    Bald wurde ihr klar, dass der Wasserkopf nicht auf dem Weg zum Bahnhof Koenji war. Aomame hatte sich mit Hilfe einer Karte aller dreiundzwanzig Bezirke Tokios sämtliche Einzelheiten in der näheren Umgebung ihrer Wohnung eingeprägt. Im Notfall musste sie genau wissen, was sich wo befand. So erkannte sie auch, dass der Mann zwar anfangs den Weg zum Bahnhof einschlug, unterwegs jedoch in eine andere Richtung abbog. Außerdem fiel ihr auf, dass er sich nicht sehr gut auskannte. Zweimal blieb er an einer Ecke stehen, schaute sich unsicher um und las das Adressenschild an einem Strommast. Offenkundig kam der Wasserkopf nicht aus dieser Gegend.
    Ein Stück weiter wurde er etwas schneller. Aomame vermutete, dass er sich dort besser auskannte. Ihre Vermutung erwies sich als richtig. Er ging an der Bezirksgrundschule vorbei, eine nicht sehr breite Straße entlang und verschwand in einem älteren, zweistöckigen Mietshaus.
    Aomame wartete sicherheitshalber noch fünf Minuten, bis sie ihm folgte. Sie wollte auf keinen Fall im Flur mit ihm zusammenstoßen. Der Eingang hatte ein kleines Vordach aus Beton, und eine runde Lampe beleuchtete ihn mit ihrem gelblichen Schein. Soweit sie sehen konnte, befand sich an dem Gebäude selbst kein Schild. Es hatte wohl keinen Namen. Jedenfalls war es nicht gerade das neuste. Sie merkte sich die an einem Strommast angeschlagene Adresse.
    Als die fünf Minuten um waren, ging Aomame rasch unter dem gelben Licht hindurch und öffnete die Tür. Der kleine Flur war leer. Dem verlassenen Raum fehlte jede Wärme. Eine Neonröhre, kurz davor, ihren Geist aufzugeben, sirrte leise. Irgendwo dröhnte ein Fernseher. Ein Kind quengelte mit schriller Stimme nach seiner Mutter.
    Aomame nahm ihren Schlüssel aus der Tasche ihrer Daunenjacke und spielte damit, um, falls sie gesehen wurde, eventuell für eine Hausbewohnerin gehalten zu werden. Sie las die Namen an den Briefkästen. Vielleicht gehörte einer von ihnen dem Wasserkopf. Nicht sehr wahrscheinlich, aber einen Versuch war es wert. Es war kein großes Haus, so viele Menschen konnten hier nicht wohnen. Als Aomame kurz darauf den Namen Kawana an einem Briefkasten entdeckte, verstummten plötzlich alle Geräusche um sie herum.
    Aomame stand wie erstarrt. Die Luft wurde sehr dünn, und sie konnte kaum noch atmen. Ihre Lippen waren leicht geöffnet und zitterten ein wenig. Die Zeit verging. Sie wusste selbst, dass sie sich leichtsinnig verhielt und sich in Gefahr brachte. Der Wasserkopf musste ganz in der Nähe sein. Vielleicht konnte er sogar in den Flur sehen. Aber sie war außerstande, sich von dem Briefkasten loszureißen. Das Schildchen mit dem Namen Kawana lähmte ihren Verstand und ihren Körper.
    Natürlich gab es keinen Beweis, dass es sich bei diesem Mieter namens Kawana um Tengo Kawana handelte. Kawana war zwar kein sehr verbreiteter Name, aber beileibe nicht so selten wie »Aomame«. Doch wenn dieser Wasserkopf, wie sie vermutete, irgendeine Verbindung zu Tengo hatte, war die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Kawana tatsächlich Tengo war, ziemlich hoch. Die Wohnung hatte die Nummer 303. Zufällig die gleiche wie das Apartment, in dem sie sich versteckte.
    Was sollte sie tun? Aomame biss sich heftig auf die Lippe. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, ohne einen Ausweg zu finden. Was tun? Jedenfalls konnte sie nicht immer weiter wie versteinert vor dem Briefkasten stehenbleiben. Also fasste sie sich ein Herz und folgte der rohen Betontreppe bis in den zweiten Stock. Der dunkle Boden hatte durch den jahrelangen Gebrauch überall Risse. Die Sohlen ihrer Turnschuhe quietschten leise.
    Aomame stand nun vor der Wohnung 303. Sie hatte eine gewöhnliche Stahltür mit einem Schild, auf dem der Name Kawana stand. Nur der Nachname. Die Zeichen wirkten kalt und anorganisch. Zugleich verdichtete sich in ihnen das große Rätsel. Aomame stand und lauschte. Sie schärfte ihre Sinne. Aber durch die Tür drang nicht der geringste Laut nach draußen. Es war nicht zu erkennen, ob innen Licht brannte. Neben der Tür befand sich eine Klingel.
    Aomame zögerte. Biss sich wieder nachdenklich auf die Lippe. Sollte sie klingeln?
    Oder ist das Ganze vielleicht eine raffiniert ausgeklügelte Falle?, überlegte sie. Und hinter der Tür liegt der Wasserkopf auf der Lauer, böse kichernd wie ein giftiger Zwerg im dunklen Wald. Vielleicht hat er sich absichtlich so offen auf der Rutschbahn präsentiert, um mich hierherzulocken und

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