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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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würde er schon aufgeben und verschwinden.
    Aber der Mann schien entschlossen, weiter seine Reden zu schwingen.
    »Frau Takai, lassen wir doch das Versteckspiel. Mir macht das auch keinen Spaß. Ich hätte weiß Gott Besseres zu tun. Frau Takai, Sie sehen doch fern. Und alle Menschen, die fernsehen, müssen Rundfunkgebühren an NHK zahlen. Das passt Ihnen vielleicht nicht, aber das Gesetz schreibt es nun mal vor. Schwarz hören und sehen ist Diebstahl an der Allgemeinheit. Frau Takai, Sie wollen doch nicht wegen so etwas als Dieb gelten? Sie leben in einem eleganten, neuen Apartmenthaus und können keine Fernsehgebühren zahlen? Also wirklich! Ist es Ihnen denn gar nicht unangenehm, wenn alle Welt davon erfährt?«
    Aomame wusste nicht, wie sie sich unter normalen Umständen verhalten hätte. Im Moment war es jedenfalls nicht wünschenswert, Aufmerksamkeit auf diese Wohnung zu ziehen. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als den Atem anzuhalten und zu warten, dass der Mann verschwand.
    »Frau Takai, ich bin penetrant und wiederhole mich, aber ich weiß genau, dass Sie da sind und mich hören. Und Sie fragen sich, warum ich so einen Lärm vor Ihrer Wohnung veranstalte. Ja, warum wohl, Frau Takai? Vielleicht, weil ich es nicht mag, wenn jemand so tut, als wäre er nicht zu Hause. Das ist doch wirklich unwürdig! Wäre es nicht besser, mir offen und ehrlich ins Gesicht zu sagen, dass sie die Gebühren nicht zahlen wollen? Sagen Sie es klipp und klar, dann könnten wir darüber sprechen. Aber sich einfach zu verleugnen! Sich im Dunkeln zu verstecken wie eine armselige Ratte. Und nur herauszukommen, wenn keiner da ist. Das ist doch ein erbärmliches Dasein.«
    Der Mann blufft, dachte Aomame. Er kann nicht wissen, dass jemand in der Wohnung ist, er redet einfach ins Blaue hinein. Ich mache keine Geräusche und atme sehr leise. Er zieht diese Nummer immer ab, egal wo. Sein Ziel ist es, die Leute einzuschüchtern. Er will, dass sie lieber ihre Gebühren zahlen, als diesen Krawall vor ihrer Haustür zu erdulden. Wahrscheinlich hat er sogar Erfolg mit seiner Masche.
    »Sie finden mich gewiss unsympathisch, Frau Takai. Das liegt auf der Hand. Ja, ich bin ein unangenehmer Mensch. Das weiß ich selbst. Aber, Frau Takai, sympathische Menschen können nicht kassieren. Und warum nicht? Weil es auf der Welt so viele gibt, die partout keine Rundfunkgebühren zahlen wollen. Und wenn man Tag für Tag mit solchen Leuten zu tun hat, vergeht einem die Freundlichkeit. Mir wäre es auch lieber, sagen zu können: ›Oh, Sie möchten Ihre Gebühren nicht zahlen? Gut, dann eben nicht. Entschuldigen Sie die Störung‹, und mich freundlich zu verabschieden. Aber das geht nicht. Rundfunkgebühren zu kassieren ist mein Beruf. Außerdem hege ich eine persönliche Abneigung gegen Menschen, die so tun, als wären sie nicht zu Hause.«
    An dieser Stelle schwieg der Mann für einen Moment. Dann wieder zehnmaliges Klopfen.
    »Frau Takai, wird Ihnen nicht allmählich unbehaglich zumute? Kommen Sie sich nicht selbst wie ein Dieb vor? Denken Sie doch einmal nach. So viel Geld ist das doch gar nicht. Nicht mehr, als Sie in dieser Gegend für ein bescheidenes Abendessen zahlen müssen. Sobald Sie diesen kleinen Betrag bezahlt haben, brauchen Sie sich nicht mehr wie einen Dieb behandeln zu lassen. Ich werde Ihnen keine lautstarken Vorhaltungen mehr machen und nicht mehr hartnäckig an Ihre Tür klopfen. Frau Takai, ich weiß, dass Sie sich dort hinter Ihrer Tür verstecken. Sie denken, Sie kommen davon, wenn Sie nur lange genug durchhalten. Ja, verstecken Sie sich nur. Aber irgendwann kriegen wir Sie, und wenn Sie sich noch so still verhalten. Mit solchen Gemeinheiten kommt man nicht ewig durch. Denken Sie doch einmal nach. Menschen in ganz Japan, die viel ärmer sind als Sie, zahlen redlich Monat für Monat ihre Rundfunkgebühren. Das ist doch nicht gerecht.«
    Er schlug fünfzehn Mal gegen die Tür. Aomame zählte mit.
    »Gut, ich habe verstanden, Frau Takai. Sie sind offenbar sehr stur. Also gut. Für heute trete ich den Rückzug an. Ich kann mich nicht ewig mit Ihnen abgeben. Aber ich komme wieder, Frau Takai. So leicht gebe ich nicht auf. Ich habe nichts übrig für Leute, die so tun, als wären sie nicht zu Hause. Ich komme wieder. Und klopfe so lange an Ihre Tür, bis die ganze Welt es hört. Das verspreche ich Ihnen. Abgemacht? Also dann, bis bald.«
    Es waren keine Schritte zu hören. Vielleicht trug er Gummisohlen. Aomame wartete noch fünf

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