1Q84: Buch 3
glich einem Lichtstäubchen. Aber was es war, wusste sie nicht.
Sie setzte sich aufs Sofa und konzentrierte sich auf die Lektüre von Unterwegs zu Swann . Sie bemühte sich, der Geschichte zu folgen und keine anderen Gedanken eindringen zu lassen. Draußen setzte ein kalter Regen ein. Laut dem Wetterbericht im Radio sollte bis zum nächsten Morgen ein ruhiger Dauerregen niedergehen. Eine herbstliche Regenfront hatte sich an der Pazifikküste festgesetzt. War dort hängengeblieben wie jemand, der in seine einsamen Gedanken versunken die Zeit vergisst.
Heute würde Tengo bestimmt nicht kommen. Der ganze Himmel war von einer dicken Wolkenschicht bedeckt und kein Mond zu sehen. Dennoch ging Aomame mit einem Becher Kakao auf den Balkon hinaus, um den Park zu beobachten. Das Fernglas und die Automatik legte sie neben sich. In ständiger Bereitschaft, nötigenfalls sofort aufzuspringen und hinauszurennen, sah sie zu, wie der Regen auf die Rutsche trommelte. Denn dies war die einzige sinnvolle Beschäftigung, die sie hatte.
Eines Nachmittags gegen drei Uhr – Aomame war dabei, Tee zu kochen – klingelte es an der Eingangstür. Jemand wollte ins Haus. Selbstverständlich reagierte Aomame nicht. Es war ausgeschlossen, dass jemand zu ihr wollte. Dennoch drehte sie sicherheitshalber das Gas ab und lauschte. Nachdem es drei- oder viermal geläutet hatte, trat wieder Stille ein.
Nach etwa fünf Minuten klingelte es erneut. Diesmal an der Wohnungstür. Die Person hatte sich Einlass verschafft und stand nun vor ihrer Tür. Wahrscheinlich war sie einem Bewohner in den Hausflur gefolgt. Oder hatte irgendwo anders geklingelt und unter einem Vorwand bewirkt, dass man ihr öffnete. Natürlich verhielt Aomame sich absolut still, wie Tamaru ihr es für solche Fälle eingeschärft hatte.
Es klingelte ungefähr zehn Mal. Für einen Hausierer war das zu hartnäckig. Kein Vertreter klingelte öfter als drei Mal. Als Aomame sich weiter still verhielt, begann der ungebetene Besucher, mit der Faust gegen die Tür zu hämmern. Nicht sehr laut, aber gereizt und zornig. »Frau Takai!«, ertönte die kräftige, ein wenig heisere Stimme eines Mannes in mittlerem Alter. »Hallo, Frau Takai. Machen Sie bitte auf.«
Takai war der Name, der am Briefkasten stand.
»Frau Takai, entschuldigen Sie die Störung, aber ich fordere Sie auf, die Tür zu öffnen. Bitte!«
Der Mann wartete auf eine Reaktion. Sobald er merkte, dass sich nichts tat, hämmerte er wieder gegen die Tür. Jetzt etwas stärker.
»Frau Takai, ich weiß, dass Sie da sind. Lassen Sie also die Spielchen und öffnen Sie die Tür. Sie sind da drin und können mich hören.«
Aomame nahm die Automatik vom Esstisch und entsicherte sie. Sie wickelte sie in ein kleines Handtuch und hielt sie schussbereit.
Sie hatte keine Ahnung, wer der Mensch war und was er wollte. Aber er war ihr aus irgendeinem Grund feindlich gesinnt und fest entschlossen, sie dazu zu bewegen, die Tür zu öffnen. Was natürlich unter den gegebenen Umständen nicht in Frage kam.
Endlich hörte das Klopfen auf, und wieder gellte die Stimme des Mannes durch den Flur.
»Frau Takai, ich bin gekommen, um Ihre Rundfunkgebühren zu kassieren. Jawohl. Für die Leistungen von NHK . Ich weiß, dass Sie zu Hause sind, auch wenn Sie noch so sehr den Atem anhalten. Ich arbeite schon lange genug in diesem Beruf, um unterscheiden zu können, ob jemand wirklich nicht zu Hause ist oder nur so tut. Auch wenn Sie sich noch so viel Mühe geben, ich spüre, dass Sie da sind. Menschen atmen, ihr Herz schlägt, und ihre Verdauung arbeitet. Frau Takai, Sie befinden sich augenblicklich in Ihrer Wohnung. Und hoffen, dass ich aufgebe und gehe. Sie haben weder die Absicht, mir zu antworten, noch, die Tür zu öffnen. Weil Sie Ihre Rundfunkgebühren nicht zahlen wollen.«
Der Mann sprach viel lauter als nötig. Er war im ganzen Haus zu hören. Genau das war auch seine Absicht. Er wollte den Angesprochenen in Verlegenheit bringen. Zugleich sollte sein Geschrei den Nachbarn als Mahnung dienen. Natürlich rührte Aomame sich nicht. Sie würde sich auf keinen Fall bemerkbar machen. Sie legte die noch entsicherte Pistole wieder auf den Tisch. Es war nicht ausgeschlossen, dass irgendwer sich nur als NHK -Kassierer ausgab. Auf ihrem Stuhl im Esszimmer sitzend, starrte sie auf die Wohnungstür.
Gern wäre sie dorthin geschlichen und hätte sich den Mann durch den Spion angeschaut. Aber es war besser, sich nicht unnötig zu bewegen. Irgendwann
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