1Q84: Buch 3
Ihnen die Informationen, die nicht dem Datenschutz unterliegen, kopieren lassen.«
»Ich danke Ihnen und hoffe, dass ich Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehme.« Ushikawa verbeugte sich leicht.
Mit anmutig schwingendem Rocksaum verließ die Vizerektorin das Zimmer. Sie hatte eine gute Haltung und einen graziösen Gang. Ihre Haare waren sorgfältig frisiert. Sie gehörte zu den Menschen, die in Schönheit altern. Ushikawa setzte sich auf dem Stuhl zurecht und vertrieb sich die Zeit mit der Lektüre eines Taschenbuchs, das er sich mitgebracht hatte.
Eine Viertelstunde später kam sie mit einem braunen Dokumentenumschlag im Arm zurück.
»Herr Kawana war ein sehr begabtes Kind. Er hatte immer die besten Noten, auch seine sportlichen Leistungen waren ausgezeichnet. Besonders gut war er in Mathematik, das heißt in Arithmetik. Er löste schon Aufgaben für Oberschüler. Er gewann sogar einen Wettbewerb und kam als Wunderkind in die Zeitung.«
»Donnerwetter«, sagte Ushikawa.
»Aber seltsam ist es doch, nicht wahr? Dass er sich bei dieser herausragenden mathematischen Begabung jetzt als Erwachsener in der literarischen Welt auszeichnet.«
»Ein überschäumendes Talent bricht sich wie ein überquellender Fluss auf ganz verschiedenen Gebieten Bahn. Heute schreibt er und ist zugleich Mathematiklehrer.«
»Aha«, sagte die Vizerektorin und wölbte die Augenbrauen zu einem fein geschwungenen Bogen. »Über Masami Aomame kann ich Ihnen vergleichsweise wenig sagen. Sie hat in der fünften Klasse die Schule gewechselt. Dadurch, dass sie zu Verwandten im Tokioter Bezirk Ashidachi zog, ging sie auch dort weiter zur Schule. Aber sie und Tengo Kawana waren im dritten und vierten Jahr zusammen in einer Klasse.«
Hab ich’s doch gewusst, dachte Ushikawa. Die beiden kennen sich.
»Ihre Klassenlehrerin war damals Frau Ota. Toshie Ota. Sie arbeitet mittlerweile an einer städtischen Schule in Narashino.«
»Wenn ich dort anrufe, könnte ich dann wohl einen Termin mit ihr vereinbaren?«
»Wir haben sie bereits angerufen«, sagte die Vizerektorin mit leichtem Lächeln. »Unter den gegebenen Umständen würde sie sehr gern mit Ihnen sprechen, sagte sie.«
»Ich bin Ihnen äußerst verbunden«, bedankte Ushikawa sich artig. Sie war nicht nur hübsch, sondern auch noch flink.
Sie schrieb den Namen der Lehrerin und die Telefonnummer der Tsudanuma-Grundschule, an der sie beschäftigt war, auf die Rückseite ihrer Visitenkarte und reichte sie Ushikawa, der sie sorgfältig in seiner Brieftasche verstaute.
»Wir haben erfahren, dass Aomame einen religiösen Hintergrund hatte«, sagte Ushikawa. »Soweit wir wissen, gab es da einige Schwierigkeiten.«
Als die Stirn der Vizerektorin sich umwölkte, erschienen winzige Fältchen in ihren Augenwinkeln. Nur Frauen in mittlerem Alter, die sich lange in Selbstdisziplin geübt haben, vermögen diese klugen, zauberhaften und nuancenreichen Fältchen hervorzubringen.
»Es tut mir leid, aber das ist eine Frage, die ich nicht mit Ihnen erörtern darf«, sagte sie.
»Weil sie die Privatsphäre betrifft?«, fragte Ushikawa.
»Genau. Besonders, wenn es um Fragen der Religion geht.«
»Aber wenn ich mich mit Frau Ota treffe, könnte ich vielleicht etwas mehr darüber erfahren, ja?«
Die Vizerektorin neigte ihr zierliches Kinn ein wenig nach links, und ein vielsagendes Lächeln trat auf ihre Lippen. »Wenn Frau Ota über ihren persönlichen Standpunkt spricht, geht uns das nichts an.«
Ushikawa erhob sich und bedankte sich nochmals höflich. Sie übergab ihm den Umschlag mit den Papieren. »Ich habe alles Material, das ich Ihnen zugänglich machen darf, hier kopiert. Es betrifft in der Hauptsache Herrn Kawana. Ein wenig über Fräulein Aomame ist auch dabei. Ich hoffe, Sie können etwas damit anfangen.«
»Sie haben mir sehr geholfen. Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar.«
»Bitte lassen Sie es uns wissen, wenn Sie etwas über die Vergabe des Fördergeldes erfahren. Es wäre wirklich eine Ehre für unsere Schule.«
»Ich bin überzeugt, dass es eine positive Entscheidung geben wird«, sagte Ushikawa. »Ich bin Herrn Kawana mehrmals begegnet. Er ist ein vielversprechender junger Mann, der echtes Talent besitzt.«
Am Bahnhof von Ichikawa ging Ushikawa in ein Restaurant, um eine Kleinigkeit zu Mittag zu essen. Dabei sah er die Papiere in dem Umschlag durch. Es waren einfache schulische Unterlagen über Tengo und Aomame und ein paar Aufzeichnungen über Tengos schulische
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