1WTC
wiederherzustellen und das World Trade Center als Symbol für ein neues New York auferstehen zu lassen. Das neue New York soll politisch und wirtschaftlich stärker werden als je zuvor.
Es folgen öffentliche Debatten, Versammlungen, Hearings. Unterschiedliche Akteure verfolgen unterschiedliche Interessen.
Der Pächter und Immobilieninvestor, Larry Silverstein.
Der Gouverneur, George Pataki.
Der Eigner des Grundstücks, die New York Port Authority.
Die mediale Öffentlichkeit.
Bürgerbewegungen.
Am Ende steht der Beschluss, die Türme nicht zu rekonstruieren. Stattdessen soll etwas Neues geschaffen werden, um Amerikas Größe zu beschwören.
Die Aufräumarbeiten beginnen sofort nach den Anschlägen, doch es dauert Monate, bis Ground Zero vom Schutt der zerstörten Hochhäuser befreit ist. In dieser Phase gründen Gouverneur Pataki und Bürgermeister Giuliani die Lower Manhattan Development Corporation. Der neuen Behörde stehen zehn Milliarden Dollar für den Wiederaufbau zur Verfügung.
Im Sommer 2002 stellt die LMDC erste Studien für einen neuen Masterplan vor, der daraufhin intensiv diskutiert wird. Ende 2002 wird ein internationaler Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Gefordert sind mit Büros gefüllte Hochhäuser, aber auch attraktive öffentliche Freiflächen und kulturelle Einrichtungen. Die Löcher, die einst die Fundamente der zerstörten Twin Towers enthielten, sollen wie Fußabdrücke als mahnende Leerstellen erhalten bleiben. Zusätzlich zu dem Mahnmal soll es ein Museum geben. Über vierhundert Teams senden eine Bewerbung ein. Sieben Bewerber werden aufgefordert, einen Entwurf zu erstellen.
Einige Stars der weltweiten Architekturszene treten an: Das japanische Büro Sanaa im Team mit dem amerikanischen Büro SOM, den Hausarchitekten von Investor Larry Silverstein. United Architects, eine Gruppe um den Amerikaner Greg Lynn, das amerikanisch-japanische Büro Reiser + Umemoto und den Niederländer Ben van Berkel. Rafael Viñoly aus New York und Shigeru Ban aus Tokyo vereinen sich zum Think Team. Ein weiteres Team bilden die Großmeister der amerikanischen Szene, Peter Eisenman, Steven Holl und Richard Meier. Der Brite Norman Foster und der Amerikaner Daniel Libeskind nehmen jeweils alleine teil.
Der Wettbewerb bringt ganz unterschiedliche, teilweise visionäre Entwürfe und völlig neue Interpretationen der Form »Hochhaus« hervor. Mit Brücken verbundene Körper, die sich ineinander winden, gigantische Öko-Türme, die Wiedergeburt des Handelszentrums als Kulturzentrum. SOM und Sanaa müssen ihren Entwurf zurückziehen, als bekannt wird, dass Larry Silverstein den Auftrag schon vor der Juryentscheidung an SOM vergeben wollte. Die Jury entscheidet sich schließlich nicht für einen, sondern für zwei, dafür aber nur vorläufige Gewinner. Das Think Team und Daniel Libeskind sollen ihre Entwürfe überarbeiten.
Im Februar 2003 dann die endgültige Entscheidung. Das Think Team schlägt mit seinem »World Cultural Center« zwei neue Twin Towers vor. Nicht als Rekonstruktion, sondern als ästhetische und inhaltliche Neuerfindung. Die neuen Türme sollen miteinander verbundene, offene Gitterstrukturen sein, in die verschiedene Funktionsebenen eingehängt werden können. Dieses flexible Kulturzentrum steht an der Stelle der ursprünglichen Türme, berührt aber nicht die Abdrücke ihrer Fundamente, sondern bildet eine schützende, durchsichtige Hülle um die Leerstelle. Der Entwurf ist das Gegenstück zu den zerstörten Twin Towers. Nicht massiv, sondern filigran, nicht schwer, sondern leicht. Eine architektonische Vision für ein kulturell offenes Amerika, das keine wirtschaftliche oder militärische Dominanz beansprucht.
Ganz anders der Entwurf von Daniel Libeskind. Er heißt »Gardens of the World«. In Libeskinds typischem Stil setzen sich die Gebäude aus zackigen, dynamischen Körpern zusammen. Durch die so entstehenden keilförmigen Zwischenräume soll Licht auf das Gelände fallen. Die einzelnen Elemente münden schließlich in einen Turm, in dem sich mehrere Gärten befinden.
»Gärten sind eine konstante Bestätigung des Lebens«, so Libeskind. Die ganze Welt ist in seinen »Gardens of the World« vereint, es gibt Tundra, Taiga, Laubwald, Savanne, Wüste und tropischen Regenwald. Ein künstliches Paradies als floraler Themenpark im Innenraum eines Hochhauses in Downtown Manhattan. Sein Entwurf erschöpft sich allerdings nicht in der Symbolisierung möglicher Zukunftsvisionen, sondern
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