2 Die Connor Boys: Lieb mich hier und jetzt
sich gegen den Felsen hinter sich und bewegte behutsam die verspannten Schultern.
„Ihnen tut alles weh, stimmt's?"
„Ein bisschen", gab sie zu.
„Ich hätte Sie nicht so lange arbeiten lassen dürfen. Sie sind körperliche Arbeit sicher nicht gewohnt."
„Sie haben mich ja nicht gezwungen. Ich habe es freiwillig ge tan." Sie lächelte ihm zu. „Aber Sie haben vollkommen recht. Noch nie in meinem Leben habe ich mich körperlich so anstrengen müssen. Doch mir hat's gefallen, wirklich. In meiner Familie war es nämlich nicht erlaubt."
„Nicht erlaubt?"
Sie holte tief Luft. „Da, wo ich herkomme, wurde für alles, was im Haus getan werden musste, jemand engagiert. Keiner von uns hatte Zeit. Meine Mutter ist Anwältin mit politischen Ambitionen. Mein Vater ist ein Geschäftsmann. Beide kommen sie aus wohlha
benden Familien, aber sie arbeiten mehr als siebzig Stunden die Woche. Meine Schwestern, Trish und Jennifer, sind genauso wie sie. Der Gedanke, den Pinsel in die Hand zu nehmen oder über einem Lagerfeuer Steaks zu braten, würde ihnen nie in den Sinn kommen. Wenn man eine Adams ist, dann muss man seine Zeit mit sinnvollen, verantwortlichen Aufgaben ausfüllen."
Seth sagte nichts, aber Samantha spürte seinen Blick auf sich. Das Feuer hielt sie wohlig warm, und das Essen hatte sie angenehm müde gemacht. Beides zusammen löste wie durch Zauber ihre Zunge.
„Ich fürchte, ich war schon immer das schwarze Schaf in der Familie. Der Faulpelz. Die Rebellin, die sich ohne Grund auflehnte. Aber letzten Herbst hätte es mich beinahe erwischt. Es gab da einen neuen Mann in meinem Leben. Nach Meinung der gesamten Familie war Joe der Richtige für mich. Mein Vater wollte uns sogar ein Haus zur Hochzeit schenken. Ich glaube, das war dann letztlich der Auslöser."
„Sie waren mit diesem Mann verlobt?" fragte Seth.
„Nein, aber Joe und meine Familie hätten es gern gesehen, sie drängten mich förmlich zu einer Heirat. Und es war ja auch nic ht so, dass mir nichts an Joe lag. Er gefiel mir. Aber ich hatte immer wieder Alpträume, in denen ich irgendwo eingesperrt war und nicht mehr heraus konnte. Also verschwand ich lieber."
„Sie haben diesen Joe einfach sitzen lassen?"
„Nein. Ich habe mit ihm Schluss gemacht. Meine Familie ist sehr wütend geworden deswegen." Samantha seufzte. „Sie denken, dass es höchste Zeit ist für mich, mich fest zu binden und mich wie alle Familienmitglieder verantwortungsvoll und erwachsen zu beneh men."
„Ich kann mir überhaupt nicht erklären, warum sie ihre Tochter lieber verheiratet sehen wollen und sich nicht darüber freuen, dass sie auf der Suche nach Geistern quer durch das Land zieht und mutterseelenallein in einem mickrigen Zelt haust", meinte Seth trocken.
„He! Du auch, Brutus?"
„Was war denn eigentlich so schlecht an dem Typen."
„Na ja, es gab da einen kleinen Haken, den ich nicht erwähnt habe." Sie zögerte. „Joe liebte den Gedanken, von meinem Vater ein Haus geschenkt zu bekommen. Und er war noch begeisterter über die Aussicht, von meiner Mutter in eine angesehene Anwaltskanzlei eingekauft zu werden. Ich mache Joe keinen Vorwurf daraus, dass er ehrgeizig ist, aber Männer wie er sind mir schon vorher begegnet. Etwa ein Dutzend. Alles Männer, die sich von der Heirat mit mir eine Sanierung ihres Lebensstandards versprachen. Ich musste einfach fort von allem, Abstand gewinnen. Klingt das so schlimm?"
„Nein", sagte Seth leise.
Samantha konnte sein Gesicht nicht sehen, weil er sich in diesem Moment vorbeugte, um für Jezzie ein Stück Holz zu werfen. Vielleicht hätte ich lieber nichts sagen sollen, überlegte sie verunsichert. Sie hatte ihm eigentlich nur damit zeigen wollen, dass sie nicht im geringsten seiner Jezebel glich. Aber Seth wollte vielleicht über so etwas Ernstes nicht mit ihr reden. Samantha hätte sich ohrfeigen können. Sie hatten sich vorher so gut über unwichtige Dinge unterhalten.
„Und was ist, wenn die sechs Monate vorbei sind? Wollen Sie wieder nach Haus zurück?" fragte er.
Diesmal achtete sie darauf, unbesorgt und leichthin zu klingen. „Natürlich. Denn trotz allem ist es meine Familie, und ich liebe sie. Außerdem habe ich eine Wohnung in Philadelphia, deren Miete mich ein Vermögen kostet, und ich bin nicht einmal da, um sie zu nutzen. Die sechs Monate sind aber nicht fest bindend. Ich habe nicht vor zurückzugehen..." sie lächelte frech, „bis ich ein paar Geister gefunden habe."
Lieb mich hier und jetzt
Er
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