2 Die Connor Boys: Lieb mich hier und jetzt
zusammenfügen ließen. Sie dachte jetzt gewiss, dass er eine Frau kannte , die ebenso der biblischen Jezebel glich.
„Es macht mir nichts aus, wenn Sie sich umsehen wollen", wechselte Seth schnell das Thema, „nur habe ich leider keine Zeit, den Gastgeber zu spielen. Ich werde Sie sogar für eine Weile allein lassen müssen, denn ich will zu einem Baumarkt, um einiges einzukaufen."
„Schon in Ordnung", sagte sie sanft, so als ob sie ihn beruhigen wollte.
Aber wenn sie das beabsichtigt hatte, so war es ihr nicht ganz gelungen. Gestern Nacht hatten ihn Alpträume geplagt. Er hatte geträumt, dass Samantha sich verlangend an ihn geklammert hatte, und als es dann darauf ankam, hatte er versagt. Er war frustriert und voller Wut auf sich aufgewacht. Und da hatte er beschlossen, dass sie bleiben konnte, wenn sie wollte. Was wäre, wenn sie ihre irren Geistergeschichten woanders ausprobieren wollte zum Beispiel bei einem Kerl, der nicht so zurückhaltend war wie er und seine Träume ausleben wollte? Zumindest war sie bei ihm in Sicherheit. Dafür konnte er garantieren.
Er nahm seine Autoschlüssel. Samantha war in Sicherheit, und er war in Sicherheit. Alle waren sie in Sicherheit, wenn er jetzt ginge. Und zwar schnell.
Samantha hatte eine Aktenmappe voller Unterlagen über Geisterphänomene mitgebracht. Sie verbrachte einige Stunden damit, die Beschreibungen in den verschiedenen Briefen mit den tatsächlichen Räumen im Haus zu vergleichen, aber bei all dem Geklopfe und Gehämmer war es schwer, sich darauf zu konzentrieren. Seth hatte sich in die Küche zurückgezogen und die Tür hinter sich geschlossen, gleich nachdem er vom Einkaufen gekommen war. Samantha hatte nicht die geringste Vorstellung, was er dort machte. Am Nachmittag lief sie dann die Treppe hinunter, stieg in der Halle über die dösende Jezzie und ging leise auf die Küche zu. Sie wollte nicht spionieren, sie war nur neugierig. Jede Frau würde die zwingende Logik erkennen. Vorsichtig öffnete sie die Tür, um einen kurzen Blick hineinzuwerfen.
Aus dem kurzen Blick wurde ein überraschtes langes Starren. Erst wenige Stunden vorher war die Küche sauber und ordentlich gewesen. Jetzt war sie ein einziges Chaos.
Jede einzelne Schranktür und Schublade stand offen. Planen bedeckten den Steinfußboden. Die Hintertür und die Fenster waren weit aufgerissen, damit der beißende Geruch, der in der Küche lag, sich verflüchtigen konnte. Bei einem Drittel der Schränke war die weiße Farbe ab und nur noch das nackte Holz zu sehen. Ein weiteres Drittel war mit einer ekligen,
dickflüssigen Masse bedeckt, die Samantha an gewisse Horrorfilme erinnerte.
„Kann ich irgendwie helfen?" fragte sie von der Tür her.
Seth, der gerade auf dem Boden hockte, drehte sich überrascht zu ihr um. Er war beim Arbeiten ins Schwitzen geraten, hatte sich das Hemd ausgezogen und trug jetzt nur eine Jeans, Stiefel und Arbeitshandschuhe. Seine nackten Schultern schimmerten glatt im Licht der Küchenlampe. Auf Kinn und Brust hatte er Schmutzflecken abbekommen.
Sein Anblick allein genügte, um Samanthas Puls zu beschleunigen. Doch allmählich gewöhnte sie sich an ihren erhöhten Puls, genauso wie sie sich an das wilde Klopfen ihres Herzens gewöhnt hatte, das immer dann eintrat, wenn sie in Seths Nähe war. Der Blick, mit dem er sie jetzt bedachte, war wieder voller Argwohn, aber auch daran hatte sie sich inzwischen gewöhnt.
Sie hatte den ganzen Tag über den Grund nachgedacht, weshalb er Jezebel den Namen einer berüchtigt untreuen Frau gegeben hatte. Man brauchte keine übersinnlichen Fähigkeiten, um zu begreifen, dass Seth von einer Frau betrogen worden war. So sehr diese Frau ihn aber auch verletzt haben mochte, sie hatte es nicht geschafft, ihm seinen Sinn für Humor zu nehmen. Samantha sah, wie er versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken.
„Sie scherzen wohl", sagte er trocken.
„Nein, kann ich wirklich nicht helfen?"
„Natürlich nicht. Sie würden sich Ihre Hände ruinieren und Ihre Kleider. Glauben Sie mir, es ist besser, wenn Sie nicht näher kommen."
Samantha entdeckte einen farbbefleckten, alten Overall auf einem der Stühle. Es war Seth wahrscheinlich zu heiß gewesen, um ihn anzuziehen. „Ich könnte den Anzug da überziehen. Es muss doch irgendeine Arbeit für mich geben. Sie scheinen jedenfalls alle Hände voll zu tun zu haben."
„Es ist keine schwere Arbeit, nur schmutzig und langwierig. Danke für das Angebot, aber es ist wirklich nicht
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