2 Die Connor Boys: Lieb mich hier und jetzt
unsichtbarer Hand in hohem Bogen aus der Wiege geworfen wurde. Die Familie zog ein Medium zu Rate, und wie es schien, war vor langer Zeit ein Baby in dem Zimmer gestorben, und ein Geist war wild entschlossen, dieses Baby zu beschützen..."
„Ist das noch so eine Geschichte aus den Büchern, die du liest?"
„Genau." Sie schaute kopfschüttelnd zu, wie Seth sich seufzend in einen Sessel fallen ließ und gleich darauf wieder nervös aufsprang. Er hatte seine Arbeitskleidung ausgezogen und trug jetzt ein sauberes Sweatshirt und Jeans, aber sein Haar war noch zerzaust, und er war barfuss. Samantha fand, dass er einfach umwer fend aussah. Es war nicht wirklich die Wand, die ihm Sorgen bereitete, da war Samantha sicher. Das Unheimliche und Unerklärliche dieses Vorfalls machten ihn nervös.
Sie stellte sich vor, dass sie ihn leicht ablenken könnte, indem sie ihn einfach in die Arme nahm und küsste. Aber der jetzige Augenblick schien doch nicht dafür geeignet. Als sie vorhin in ihrem Bikini hereingekommen war, hatte er ihr hastig ein Sweatshirt von der Größe eines Zeltes übergeworfen. Seth war offensichtlich nicht in der Stimmung für Spiele, jedenfalls keine Spiele, die Körperkontakt voraussetzten.
„Selbst einmal angenommen, es gibt einen Geist", fuhr sie nachdenklich fort, „so muss er nicht unbedingt ein feindseliger Geist sein. Geister können auch gut sein. Es gibt zum Beispiel die Theorie, dass gewisse Geister Spaß daran haben, sich in das Leben der Menschen einzumischen. Nimm einmal die alten Römer. Sie glaubten an Geister, die zu dem einzigen Zweck auf der Erde herumwanderten, um in das Leben der Menschen einzugreifen. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es aber Mittel und Wege, um sie loszuwerden..."
„Sag es mir nicht, okay? Bitte, sag es mir nicht!"
Aber Samantha war plötzlich in ihrem Element und ließ sich nicht stoppen. „Du kannst in der Nähe des Spukortes auf Trommeln schlagen", fuhr sie mit todernster Miene fort. „Oder du kannst Bohnen verbrennen. Offenbar mögen sie nicht den beißenden..."
Ein Kissen segelte durch das Zimmer, traf Samantha am Kopf und fiel auf Jezebel, die während der ganzen Zeit an Samantha gekuschelt dalag. „Die Bohnen willst du nicht ausprobieren, nehme ich an. Andererseits gibt es im Branchenverzeichnis sicher keine
Eintragung unter ,Geisterjäger'. Aber vielleicht gibt es in der Stadt jemanden, der mir mehr über das Haus sagen kann. Ich könnte herumfragen."
„Wenn du dich nach der Geschichte erkundigen willst, nur zu. Aber wenn du wildfremde Menschen nach Geistern fragst, wird man dich über kurz oder lang in einen Raum mit vergitterten Fenstern sperren."
„Ich werde diskret vorgehen", versprach sie.
„Ja, wie ein Elefant im Porzellanladen. Du stellst nur meine Geduld auf die Probe, wie immer. Es war kein verflixter Geist, der die Wand repariert hat."
„Okay."
„Es gibt keine Geister, ob sie sich nun in unser Leben einmischen oder nicht."
„Okay."
Er hörte auf, hin und her zu laufen. „Du plapperst nur deswegen von dem ganzen übersinnlichen Zeug, weil du weißt, dass ich davon in die Luft g ehe."
„Genau", gab Samantha ohne Groll zu. Sie erzählte ihm eine Menge Unsinn, weil es das zu sein schien, was er brauchte. Er hatte fast gelacht, als sie von den Bohnen sprach, und Lachen war die beste Medizin. Sie glaubte bereits Anzeichen zu erkennen, dass er allmählich zu vergessen begann. Und wenn noch mehr Geister dazu nötig waren, dann war sie nur allzu gern bereit, die auch noch zu Hilfe zu holen. Doch leider gehörte Seth zu den Menschen, die nur an das glaubten, was sie anfassen, hören und sehen konnten.
Samantha hingegen glaubte an Magie und Zauber und hätte Seth gern zu dieser Ansicht bekehrt. Doch zunächst musste er ein mal zur Ruhe kommen, so erregt, wie er über den neuen Vorfall war. „Ich denke, du solltest einmal hier raus", sagte sie dann auch. „Du schuftest ja wie ein Tier. Ich weiß, du hast nur wenig Zeit, um das Haus herzurichten, aber ein paar Stunden Pause wirst du dir doch gönnen können."
„An was denkst du?"
Samantha schlug Seth vor, einen Nachmittag an eine etwas entferntere Bucht zu fahren, wo der Park Acadia lag, doch es sollte noch zwei Tage dauern, bis es endlich dazu kam.
Seth ließ die Wand im blauen Zimmer erst einmal in Ruhe und packte statt dessen eine andere Aufgabe an. Der Parkettboden oben im Flur musste abgeschliffen und ne u versiegelt werden. Der Lärm und der Staub, den Seth in den
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