2 ½ Punkte Hoffnung
und Möbel.
Annette und Noelle prusteten los, aber ich starrte nur die braungefleckte Decke an, krank vor Angst. Noch ehe ich auch nur das erste Popcorn aufsammeln konnte, war Mom schon da. Annette und Noelle hörten auf zu lachen.
»Du grobmotorisches Trampel«, rief Mom. »Mach das sofort sauber.« Sie sah Annette und Noelle an. »Ihr zwei könnt eure Eltern anrufen. Das Fest ist zu Ende.«
»Aber Mom …«, fing ich an. Ich glühte am ganzen Leib und meine Ohren brannten.
»KLAPPE HALTEN! Und tu, was ich dir sage.«
Der Geburtstag vom vorigen Jahr war noch immer ein Albtraum, und bis zu meinem zwölften Geburtstag war es nur noch eine Woche, also versuchte ich, Moms Stimmung zu durchschauen.
»Ich werde mich wirklich älter fühlen, wenn ich zwölf bin«, sagte ich vorsichtig.
»Hm, ja.« Mom las weiter die Morgenzeitung.
»Ich bin elf, und am dreizehnten werde ich zwölf.«
»Ach?« Sie schaute auf.
»Das ist doch ein gutes Zeichen – drei Zahlen hintereinander.«
»Soll heißen?«
Das brachte nichts.
Aber dann erinnerte ich mich, dass Oma am vergangenen Abend angerufen hatte. Ich hätte es besser wissen müssen. Niemals an dem Tag, nachdem Oma angerufen hat, um etwas bitten. Vergiss es einfach. Diese Anrufe gab es alle paar Monate, und Mom versuchte, zu ihrer Mutter höflich zu sein, aber am Ende wurde es immer laut und wütend, mit tiefen Seufzern dazwischen. Und schließlich brüllte sie: »Erzähl du mir nicht, wie ich meine Kinder erziehen soll!«, und knallte den Hörer auf.
Dennoch, ich konnte die Sache mit dem Geburtstag nicht aufgeben. »Das ist ein ganz besonderes Jahr, weil es mein letztes an der Grundschule ist, und da dachte ich, wir könnten etwas Besonderes unternehmen, weißt du, vielleichteinen Tag am Strand oder Feuerwerk im Zoo von Portland oder Paintball oder …«
»Hope, falls du das vergessen haben solltest – und ich sage es dir jedes Jahr –: Dein Geburtstag fällt in unsere hektischste Zeit im Büro. Ich habe einfach keine Energie, um eine Party zu planen.«
»Planen kann ich doch.«
»Nicht nach der Katastrophe vom vergangenen Jahr.«
Da stand ich und überlegte, ob ich entlassen sei, aber dann zog sie ihre Brieftasche hervor und knallte fünfundzwanzig Dollar auf den Tisch. »Mach damit, was du willst. Lade eine Freundin ins Kino und auf eine Pizza ein. Oder kauf dir was. Oder spar das Geld. Egal, was.«
Fünfundzwanzig Dollar. Zuerst fand ich das Geld gar nicht so aufregend. Es kam mir irgendwie eher wie eine Bestrafung vor als wie ein Geschenk. Könnt ihr euch sicher vorstellen.
Aber dann, einige Tage darauf, ertappte ich mich bei dem Gedanken, was ich damit machen könnte. Zuerst dachte ich an den üblichen Kram. Dann dehnten meine fünfundzwanzig Dollar sich in meiner Phantasie aus. Ich sah die Anzeigen des Tierschutzvereines und spürte, wie neben mir ein flauschiges Kätzchen schlief. Ich schaute beim Reisebüro von Eola Hills vorbei und ritt auf Hawaii auf den Wellen. Ich träumte davon, in ein Konzert zu gehen, mit einem Flugzeug zu fliegen, von einem Tag in Disneyland.
Als ich an meinem Geburtstag aufwachte, wusste ich noch immer nicht so recht, was ich machen sollte. Aber es war aufregend, weil es Samstag war und ich meine fünfundzwanzigDollar noch hatte, obwohl ich sie in Gedanken schon eine Million Mal ausgegeben hatte.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Hope.« Mom saß am Küchentisch, rauchte eine Zigarette und hatte die Anzeigenseite der Zeitung aufgeschlagen. »Ich glaube, Lydia und ich werden heute beim Winterschlussverkauf zuschlagen.«
Ich blieb wie angewurzelt stehen. Ihre Worte drehten sich in meinem Ohren schneller und lauter, sie wirbelten herum und hallten wider, rissen jetzt Fetzen von gespeicherten Gesprächen mit sich:
Falls du das vergessen haben solltest … ich sage dir … jedes Jahr … unsere hektischste Zeit im Büro … keine Energie, um eine Party zu planen.«
»Und das Büro?«, murmelte ich.
»Da ist alles in Ordnung.« Mom drückte ihre Zigarette in einem Deckel aus und fing an, Gutscheine auszuschneiden. »Wir haben gerade alles weggearbeitet.«
Ich schleppte mich durch Treibsand zum Kühlschrank.
Ist schon gut,
versuchte mein Gehirn mir einzureden.
Du hast Geburtstag und du wirst zwölf. Du kannst heute machen, was du willst. Denk nicht an sie. Es ist dein Geburtstag und dir geht’s gut. Gib dir hundert Punkte für ENTTÄUSCHT.
Nachdem ich eine Schale Müsli hinuntergewürgt hatte, duschte ich,
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