2 ½ Punkte Hoffnung
genug.«
Sie sah zu ihrem Arbeitstisch hinüber. »Siehst du unser Schild?«
»Ja.«
»Na, ich hätte am Anfang oder am Ende oder in der Mitte anfangen können, und es wäre so ungefähr dasselbe herausgekommen. Dann bist du genau im richtigen Moment gekommen und wir haben an entgegengesetzten Enden angefangen und aufeinander zu gearbeitet.«
Ich fragte mich, was das mit meiner Mutter zu tun haben könnte.
Mrs. Nelson lächelte – endlich –, dann drehte sie sich in ihrem Stuhl um und beugte sich zu mir vor, wobei ihre Arme auf ihren Beinen ruhten. »Es gibt viele unterschiedliche Methoden, um dasselbe zu tun, Hope, und meistens sind alle gleich gut. Halt dir das immer vor Augen, ja?« Ihr starker Blick ließ meinen nicht los.
Ich nickte.
Der Ausdruck in ihren Augen wurde sanfter, als sie langsam sagte: »Hope, was wünschst du dir? Wie würdest du dein Leben ändern, wenn du das könntest? Was würde dich wirklich glücklich machen?«
Meine Haut prickelte, mein Magen drehte sich um und mein Herz schlug schneller. Ich fühlte mich mit jeder Frage leichter und fragte mich, ob ich gleich abheben und losfliegen würde, vielleicht zu dieser tropischen Insel. Was immer ich mir wünschte … natürlich ins Sommerlager zu fahren … keine Kopfschmerzen mehr … keine Magenschmerzen mehr … mit Tyler, Anita und Ruthie zusammenzuwohnen … Pfefferminzbonbons … sagen zu dürfen, was ich sagen möchte … Freiheit … ja, Freiheit würde mich sehr glücklich machen.
Etwas in mir löste sich, floss aus meinen Augen, zitterte in meiner Stimme. Ein Schrei stieg in meiner Brust auf und ich schlug mir die Hände vors Gesicht. Die erstickten Worte fielen stückweise von meinen Lippen, durch meine Finger, zerbrachen in der Luft. »Ich – wünsch – mir – dass – jemand – mich – lieb hat.«
Ich spürte Arme, die sich um mich schlossen, die mich sanft auf die Füße zogen, und weiche Haare an meinen nassen Wangen; ein liebes, leises Flüstern in meinem Ohr: »Ist schon gut, ist schon gut«, und ein sanftes Wiegen, hin und her, hin und her.
Mrs. Nelson hätte vermutlich den ganzen Tag weiter geflüstert und gewiegt, aber irgendwann wischte ich mir die Augen und setzte mich auf meinen Stuhl. Sie streichelte mein Knie und wartete.
»Jetzt geht’s wieder«, murmelte ich.
Sie nickte, dann räusperte sie sich. »Hope, wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, dass du mit deiner Mutter überverletzende Worte sprechen kannst, über verbale Misshandlung – dann hilft das vielleicht.« Sie griff nach einem rosa Block aus Klebezetteln. »Vergiss nicht, wir haben die Ich-Erklärungen geübt«, sagte sie, als sie ein Beispiel auf- schrieb. »
Ich fühle … wenn du … und ich wünschte, du würdest …
« Sie reichte mir den Merkzettel. »Sieh deiner Mutter in die Augen, wenn du mit ihr sprichst.«
»Ich werde es versuchen.«
»Viel Glück, Hope. Ich denke an dich.«
»Danke.«
Wir standen auf und sie legte mir den Arm um die Schulter, als sie mit mir zur Tür ging. »Ich fühle mich gut«, sagte sie, »wenn du mich besuchst, und ich wünschte, du würdest das häufiger tun.«
KAPITEL 26
Ich-Erklärungen
Neben dem Telefon auf Moms Schreibtisch fand ich einen Kugelschreiber und ein Stück geblümtes Briefpapier. In mir zitterte alles, aber meine Finger umklammerten den Kugelschreiber, fanden die Kraft, formten die Buchstaben, spürten die Erleichterung.
Ich fühle mich krank, wenn du sarkastisch bist, und ich wünsche, du würdest sagen, was du wirklich denkst.
Dann deckte ich den Tisch mit unseren hübschen gelben Platzdeckchen und passenden Servietten. Ich legte das Besteck genau richtig, die Gabel links und Messer und Löffel rechts. Ich füllte einen Krug mit Limonade, gab Eis in die Gläser und legte den Zettel auf Moms Platzdeckchen.
Der Zettel war verschwunden, als ich zum Abendessen wieder in die Küche kam. Tyler wusch sich gerade am Spülbecken die Hände. Gras und Lehmflecken bedeckten seinen Baseballanzug.
»Seit wann wird Baseball im Kriechen gespielt?«, fragte ich.
Tyler drehte sich langsam um und schüttelte dann seine nassen Hände vor meinem Gesicht aus.
»Tyler!« Ich trocknete mein Gesicht an seinem Trikot ab und gab vor, mir die Nase zu putzen.
Er packte meine Handgelenke und zog mich zum Wohnzimmer hinüber.
»Zankt euch nicht«, mahnte Mom und stellte unsere Teller auf den Tisch. »Jetzt wird gegessen.« Ich versuchte, verstohlen in Moms Gesicht zu sehen. Sie war viel zu fröhlich, und
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