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2 ½ Punkte Hoffnung

2 ½ Punkte Hoffnung

Titel: 2 ½ Punkte Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Olson
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meine abgesäbelten Haare. Könnt ihr euch das vorstellen?
    Jedesmal, wenn ich in der Schule Mrs. Nelson sah, erlebte ich ihren Besuch vom Sonntagnachmittag in Gedanken noch einmal. Ich hörte jedes leise Wort, das sie zu meiner Mutter gesagt hatte, und wieder zitterte mein Magen und mein Herz krampfte sich zusammen, als ich den Mut aufgebracht hatte, mein langes Schweigen zu brechen. Ich wünschte, ich könnte mich an alles erinnern, was ich gesagt hatte. In jedem Fall werde ich nie die Erleichterung vergessen, die sich bei meinen letzten Worten einstellte.
Vielleicht sollte ich fortgehen.
Ich lächelte, als ich an Maddies Optimismus, ihre Entscheidungen und ihre fröhliche Einladung, bei ihnen zu bleiben, dachte. Und ich klammerte mich an das wässerige Glänzen in den Augen meiner Mutter.
    »Du hast ja einen phantastischen Bruder«, hatte Mrs. Nelson am Freitag gesagt, als sie in der Turnhalle Namensschilder an meinen Taschen befestigte.
    »Hm?« Tyler war doch am Sonntagnachmittag nicht zu Hause gewesen!
    »Weißt du das denn nicht?« Sie zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
    »Was denn?«
    Mrs. Nelson ließ ihren Klemmblock sinken. »Dein Bruder hat sich Sorgen um dich gemacht. Er war vorige Woche bei mir, besorgt wegen deiner Mutter, ihrer Entscheidung und weil du so still geworden warst.«
    »Deshalb haben Sie meine Mom besucht?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Hope. Tyler war nur der zündende Funke. Das Feuer hat sich von selbst verbreitet. Auch andere hatten von deiner Lage gehört und wollten etwas tun. Ich weiß nicht mal mehr, wer dir alles zu Hilfe gekommen ist.«

    Mr. Hudson hatte angeordnet, Radios, Föne, Messer und andere Dinge, mit denen wir uns und unsere Mitschüler verletzen konnten, zu Hause zu lassen. Alles andere sollten wir am Freitag bringen, damit der Lastwagen fertig gepackt wäre, wenn wir am Montagmorgen um sieben aufbrachen. »Bringt nur etwas zum Mittagessen mit«, sagte er. »Überraschungstofu und Lebersandwiches wären beispielsweise eine hervorragende Wahl.« Kein Kommentar.
    Nach einer langen Busfahrt, auf der wir laute Lieder gegrölt und vorüberfahrenden Autos zugewunken hatten, liefen wir zu Fuß ins Lager, luden den Lastwagen und zweiPick-ups aus, bauten unsere Zelte auf und bekamen Lagerpflichten zugeteilt. Ich half dabei, das Badezimmer der Mädchen sauberzumachen – ein kleines Klinkerhaus mit feuchtem Betonboden und fließendem kalten Wasser. Über den Waschbecken hingen witzige Spiegel, eine Art glattes Metall mit vagen, welligen Zerrbildern. Nun ja, ich ging davon aus, dass wir in ein paar Tagen sowieso keine Lust mehr haben würden, uns zu betrachten.
    Jetzt raschelte etwas im Busch und ich lugte durch die Zeltöffnung. Als meine Augen sich an das Wechselspiel von Mondlicht und Schatten gewöhnt hatten, entdeckte ich ein Reh, das sich vorsichtig den Kochern und Arbeitstischen näherte, den Boden beschnüffelte und die Ohren aufstellte. Als es seine Inspektionsrunde beendet hatte, schaute es sich um, dann wanderte es langsam zwischen den Zelten hindurch hinüber zum Fluss.

    Am nächsten Morgen, noch vorm Frühstück, beugte Jessica sich zu mir rüber und flüsterte mir ins Ohr: »Squid und Cougar sind zuuu süß!« Ich folgte ihrem Blick zu den Highschool-Betreuern, die ihre Camper antrieben, vor dem Frühstück am lautesten zu singen.
    »Okay, Bande«, brüllte Adlerauge (Mr. Hudson), »dann wollen wir mal sehen, wer sich zuerst aufstellen darf.« Er fing an zu singen: »War einmal ein Desperado …«
    »Aus dem wilden, woll’gen Westen«, stimmten wir alle ein – so laut, wie wir es direkt nach dem Aufstehen konnten.
    »Gummibonbons Gruppe fängt an«, verkündete Adlerauge, nachdem er und die anderen Lehrer der sechstenKlassen, Miss Lindquist und Mr. Richmond, abgestimmt hatten. Wir anderen protestierten und täuschten entsetzliche Magenschmerzen vor Hunger vor.
    Gabriela, äh, Feliz stellte uns hintereinander auf. »Nächstes Mal sind wir die Ersten«, sagte sie und legte mir den Arm um die Schulter.
    »Jawoll! Genau!«, schrien wir.
    »Wer ist Nummer Eins?«, rief sie.
    »Campistas!«, antworteten wir.
    »Klapperer«, riefen Schlanges Kinder.
    Als wir dann an unserem Tisch saßen, machten wir uns über Würstchen, Rühreier und Zimtschnecken her. Ich schüttelte meinen Milchkarton – aber der war gefroren. »Mach das so«, sagte Feliz und schlug damit auf den hölzernen Tisch. Wir trommelten alles los und schlürften dann die milchigen

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