2 - Wächter des Tages
...« Sie schüttelte den Kopf. »Und anscheinend wirklich ein Töchterchen.«
»Ich nehm alles auf mich«, meinte Natascha immer verärgerter. »Alle Sünden. Welche auch immer. Abgemacht?«
Die Kräuterfrau sah sie streng und missbilligend an. »So geht das nicht, mein Töchterchen. Was heißt hier >alle Sünden Wer weiß, was ich dir dann noch anhänge? Meine eigenen Sünden und die von andren ..., die müsstest du dann vor Gott verantworten.«
»Das klären wir dann schon.«
»Ach, diese Jugend«, seufzte Darja. »Diese dumme Jugend. Als ob er sich mit den menschlichen Sünden herumschlagen sollte. Jede Sünde hinterlässt eine Spur, an diesen Spuren orientiert sich dann auch das Gericht ... Doch genug davon, du brauchst keine Angst zu haben. Ich hänge dir keine fremden Sünden an.«
»Da mach ich mir auch gar keine Sorgen.«
Die Kräuterfrau schien sie schon gar nicht mehr zu hören. Im Sitzen lauschte sie aufmerksam auf irgendetwas. Dann zuckte sie die Achseln. »Gut ... Machen wir uns an die Arbeit. Deine Hand!«
Unsicher streckte Natascha die rechte Hand aus, den teuren Brillantring voller Sorge im Blick. Wenn er auch nur schwer vom Finger zu ziehen war...
»Oi!«
Die Kräuterfrau pikte sie so schnell und geschickt in den kleinen Finger, dass Natascha nicht einmal etwas merkte. Wie erstarrt saß sie da, sah auf den anschwellenden roten Tropfen. Ohne viel Federlesens warf Darja die winzige Lanzette - ein flaches Ding mit spitzem Stachel - auf einen unabgewaschenen Teller mit eingetrockneten Borschtschresten. Solche Nadeln benutzte man auch in Labors.
»Keine Angst, bei mir ist alles steril, es sind Einwegnadeln.«
»Was erlauben Sie sich eigentlich!« Natascha wollte ihre Hand zurückziehen, doch Darja packte sie mit einer unerwartet kräftigen und zielsicheren Bewegung.
»Halt still, du dummes Mädchen! Sonst muss ich noch mal piken!«
Sie zog ein Apothekerfläschchen aus dunkelbraunem Glas aus der Tasche. Die Beschriftung auf dem Etikett war verwaschen, aber nicht vollständig, sogar die ersten Buchstaben ließen sich noch erkennen: Na .... Geübt schraubte Darja es auf, stellte das Fläschchen unter Nataschas kleinen Finger und klopfte den Finger gegen den Flaschenrand. Der Tropfen landete in dem Fläschchen.
»Manche Menschen glauben«, sagte die Kräuterfrau zufrieden, »dass der Trank umso besser wirken würde, je mehr Blut drin ist. Das stimmt nicht. Das Blut muss eine gewisse Qualität haben, die Menge spielt überhaupt keine Rolle...«
Die Kräuterhexe öffnete den Kühlschrank. Holte eine Fünfziggrammflasche Wodka Priwet heraus. Natascha fiel wieder ein, dass ihr Fahrer ihr dieses »Reanimationsmittel« irgendwann einmal empfohlen hatte.
Ein paar Tropfen Wodka kamen auf den Wattebausch, den Natascha gehorsam gegen ihren Finger drückte. Die Kräuterhexe hielt Natascha die Flasche hin. »Willst du?«
Aus irgendeinem Grund malte sich Natascha lebhaft aus, wie sie morgen früh aufwachen würde - am andern Ende der Stadt, ausgeraubt, vergewaltigt und ohne jede Erinnerung an das, was geschehen war. Sie schüttelte den Kopf.
»Na, ich genehmige mir einen.« Darja setzte das »Reanimationsmittel« an die Lippen und trank den Wodka in einem Schluck aus. »So arbeitet es sich doch gleich ... viel besser. Und du ... du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Raub ist nicht mein Metier.«
Einige Tropfen, die noch in der Flasche waren, gab Darja ebenfalls in das Apothekerfläschchen mit dem Trank. Dann fügte die Kräuterhexe, ohne sich um den neugierigen Blick Nataschas zu scheren, Salz, Zucker, heißes Wasser aus dem Teekessel und ein Pulver mit starkem Vanillegeruch hinzu.
»Was ist das?«, fragte Natascha.
»Hast du Schnupfen? Vanille.«
Die Kräuterhexe hielt ihr das Fläschchen hin. »Nimm das.«
»Und das ist alles?«
»Ja. Gibt das deinem Mann zum Trinken. Schaffst du das? Du kannst es ihm in den Tee mischen oder in Wodka, auch wenn das nicht gerade empfehlenswert ist.«
»Und wo soll da die ... Zauberei sein?«
»Was für Zauberei?«
Erneut kam sich Natascha wie eine Idiotin vor. »Da ist ein Tropfen meines Bluts drin«, platzte sie fast schreiend heraus. »Ein Tropfen Wodka, Zucker, Salz und Vanille!«
»Und Wasser«, fügte Darja hinzu. Sie stemmte die Hände in die Hüften. Sah Natascha voller Ironie an. »Was hast du denn erwartet? Getrocknete Krötenaugen? Piroleier? Oder soll ich da reinrotzen? Worauf kommt es dir an? Auf die Zutaten oder auf die Wirkung?«
Natascha
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