20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
du etwas, o Scheik, hihihihi; hörst du ein einziges Wort? Diese Hunde haben meinen Sohn am Bir Nadahfa mit der Peitsche in das Gesicht geschlagen, und er hat ihnen dafür mit dem Scheba et Thar gedroht, mit dem Löwen der Blutrache, ja, mit dem Löwen –“
Er unterbrach sich plötzlich mit einer Bewegung, als ob ihm ein außerordentlich guter Gedanke komme, ließ seine Blicke mit giftigem Triumph über uns gleiten und wendete sich dann mit plötzlich ganz freundlicher Miene und Stimme an den Scheik:
„Doch, du sollst das Recht haben, o Scheik, nämlich wenn die Versammlung der Ältesten es dir zuspricht. Laß die Ichtjarije (Alten) rufen; es soll sofort die Beratung abgehalten werden, sofort, sofort! Wir wollen die Stimmen der Männer hören, welche über diese Hunde zu entscheiden haben. Wir dürfen keine Zeit verlieren, denn schon morgen früh müssen wir zu den Lazafah aufbrechen, um unsere Söhne und Krieger zu befreien oder zu rächen!“
Er eilte fort, um die Alten selbst mit zusammenzuholen. Da trat der Scheik zu uns und sagte halblaut:
„Ich ahne, was der Sahhar will. Ich habe euch mein Wort gegeben und möchte es ganz halten; gegen den Scheba et Thar, den er meint, kann ich aber nichts tun. Doch denke ich, daß ihr Männer seid, die sich nicht fürchten, und eure Waffen sind ja besser als die unserigen. Allah tut, was ihm gefällt!“ – – –
Unsere Lage schien sich seit der Ankunft des Zauberers bedeutend verschlimmert zu haben. Die Scherarat mußten uns zwar auch vorher schon feindlich gesinnt sein, doch hatte das ritterliche Verhalten ihres Scheiks den Eindruck auf sie nicht verfehlt. Nun aber waren ihrer viel mehr geworden, und der alte Gadub es Sahhar hatte, weil sie ihn mehr fürchteten, mehr Einfluß auf sie als der Scheik. Wir sahen jetzt mehr drohende Blicke auf uns gerichtet als früher, brauchten aber zunächst nichts zu fürchten, denn vor dem Richterspruche der Dschema (Rat der Ältesten) durfte sich niemand an uns vergreifen.
Es waren zwölf Greise, welche sich in einiger Entfernung von uns zur Beratung niedersetzten. Diese wurde in ernster Würde geführt, wie wir sahen. Nur einer ließ sich von seiner Erregtheit hinreißen, lebhafter zu sein, als es der Gebrauch erforderte; das war der Zauberer, welcher fast unablässig auf die andern einsprach. Wir saßen rund von Kriegern umgeben, nebeneinander; darum dämpfte Halef seine Stimme zum Flüstern, als er mich fragte:
„Was meinst du, Sihdi, was sie über uns beschließen werden?“
„Ahnst du es nicht?“
„Nein. Du?“
„Ja.“
„Nun, was?“
„Es scheinen Löwen im Wadi zu sein.“
„Allah! Löwen? Ein Löwe!“
„Nicht einer, sondern mehrere, denn, es ist jetzt die Zeit in welcher diese Tiere vielleicht schon Junge haben.“
„Daß es hier schon Löwen gegeben hat, habe ich dir gesagt; es ist also sehr leicht möglich, daß sich wieder welche hier befinden, droben in der alten Ruine, wo es genug Schlupfwinkel für sie gibt. Was aber hat dies mit uns zu tun?“
„Wahrscheinlich sehr viel. Hast du das triumphierende Gesicht des Zauberers gesehen, als er von dem ‚Löwen der Blutrache‘ sprach?“
„Ja; es sah aus, als ob er eine sehr große Freude empfände.“
„Die Freude über unsern sichern Untergang.“
„Durch die Löwen?“
„Ja.“
„Meinst du etwa, daß wir ihnen vorgeworfen werden sollen?“
„Vorgeworfen grad nicht, denn dazu müßten sie uns vorher fesseln, und das würde ich mir mit meinem Stutzen sehr verbitten. Solange ich überhaupt diesen habe, werde ich jeden Beschluß der Versammlung, der uns keine Hoffnung bietet, zurückweisen. Ich vermute, daß wir mit den Löwen um unsere Freiheit und unser Leben kämpfen sollen.“
„Wirst du das annehmen, Sihdi?“
„Erst möchte ich hören, was du dazu sagst.“
„Das kannst du dir doch denken. Wie stolz würde Hanneh, das beste und herrlichste Weib unter den schönsten aller Frauen, auf ihren Halef sein, wenn er ein Fell mit nach Hause brächte, in welchem ein von ihm selbst erlegter Löwe die Tage seines Daseins beschlossen hätte!“
„Du würdest dich also an den ‚Herrn mit dem dicken Kopf‘ (Einer der vielen arabischen Beinamen des Löwen) wagen?“
„Mit Entzücken; das sage ich dir aufrichtig.“
„Und dein Sohn?“
Kara hatte bis jetzt kein Wort gesprochen; als er diese Frage hörte, antwortete er:
„O Emir, mein Herz ist von tiefer Traurigkeit erfüllt. Was habe ich getan! Ich bin schuld daran, daß wir
Weitere Kostenlose Bücher