Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
der Fall. Selbst im Sommer sind die Wärmeunterschiede zwischen Tag und Nacht so bedeutend, daß dieser schnelle Wechsel dem Ungewohnten schwere Erkältung bringt, und im Winter, auch noch im Frühjahr, sinkt die Temperatur oft so tief unter Null herab, daß man, wenn man sich im Freien befindet, bei der dortigen leichten Kleidung während der Nacht vom Frost geschüttelt wird. Es fällt sogar zuweilen Schnee. Wir hatten uns darum für unsern gegenwärtigen Ausflug mit warmen Decken versehen, diese aber heut abend nicht mit heraufgenommen, weil wir beim Kampf mit Löwen freie Bewegung haben mußten und uns also doch nicht einwickeln durften. Es war so empfindlich kalt, daß ein Zittern beim Zielen sehr im Bereich der Möglichkeit lag, und wie gefährlich ein sich daraus ergebender Fehlschuß für uns werden konnte, das läßt sich wohl leicht denken. Ich bat darum meine Gefährten, sich ja recht zusammenzunehmen, und erhielt darauf die Versicherung daß sie im betreffenden Augenblick gewiß nicht zittern würden.
    Es ging kein Lüftchen im Hof, und nur das leise Prasseln der Flammen unterbrach die tiefe Stille. Eine Stunde verfloß und fast noch eine. Als geübter Jäger verließ ich mich nicht allein auf Auge und Ohr, sondern fast noch mehr auf die Nase, und da – da spürte ich endlich jene strenge, stechende Penetranz, welche der Ausdünstung der größeren Raubtiere eigentümlich ist.
    „Er kommt; paßt auf; er kommt; ich rieche es!“ flüsterte ich den beiden zu, indem ich den Bärentöter an die Wange legte und das Auge scharf nach dem zweiten Tor richtete. Eine Gestalt, oder war es nur ein Schatten, kam da heraus, blieb eine Minute lang unbeweglich stehen, ohne uns aber ein Ziel zu bieten, und verschwand dann nach der uns gegenüberliegenden Seitenmauer hin. Gleich darauf hörten wir Steine fallen.
    „War er das?“ fragte Halef leise.
    „Er oder sie; ich konnte es nicht unterscheiden“, antwortete ich. „Wir haben kein Glück gehabt. Das Tier fürchtet sich vor dem Feuer und ist dort über die Mauer zum Brunnen hinab. Daß wir dieses dumme Feuer brennen müssen! Wäre es dunkel gewesen, läge die Bestie jetzt tot da, mit meiner Kugel im Kopf.“
    „Er kommt ja wieder!“
    „Das ist meine Hoffnung. Nehmen wir ja alle unsere Sinne zusammen, daß wir ihn dann nicht verpassen!“
    Es verging eine kleine Weile; da ertönte auf halber Höhe des Felsens jenes rollende Gebrüll, welches der Araber Rra'd, zu deutsch Donner, nennt. Es schien, als ob der Boden wie bei einem Erdbeben unter uns bebte.
    „Das ist nicht sie, sondern er“, flüsterte ich; „ich höre es an der Stimme. Er steigt zur Tränke hinab. Doch, horcht!“
    Es war ein Ruf, ein angstvoller, schriller Ruf zu hören, welcher aus dem Wadi heraufklang, wieder einer – und wieder! Es klang wie Ghadab, Ghadab. Oder irrte ich mich? So hieß ja der Sohn des Zauberers. Es folgte ein zweites, ein drittes Brüllen des Löwen, dann war es still, doch nur unten, denn hier oben bei uns hörten wir plötzlich jemand laut fragen:
    „Maschallah! Was ist das für ein Feuer? Wer hat es angebrannt? Gebt Antwort, denn ich bin Abu el Ghadab, der – – –“
    Hierauf ein gräßlicher Schrei, mit welchem ein ebenso entsetzlicher im Wadi unten fast zusammenschmolz; dann ein Krachen und Knacken von Knochen und jenes Knirschen und schmatzende Lefzenschnalzen, welches ich nur zu wohl kannte. Die Löwin war auch da; sie hatte ein Opfer gefunden; dessen Knochen zwischen ihren Zähnen prasselten. War das ein Mensch? Gar Abu el Ghadab? Doch der befand sich ja als Gefangener bei den Lazafah! Mochte dem sein, wie ihm wolle, ich mußte schnell zum Schuß kommen. Das Knacken erscholl aus der Nähe des äußeren Tores; ich bog mich zur Seite und sah die mächtige Gestalt des Tieres. Zwei, drei scharfe Schreie ausstoßend, richtete ich den Lauf; meine Stimme veranlaßte die Löwin, sich nach unserer Seite zu wenden; ihre Augen glühten – mein Schuß krachte – ein sausender Atemstoß – ein kurzes Stöhnen – ein ersterbendes Röcheln, dann war es still.
    „O Sihdi, du hast sie erlegt; sie ist tot!“ rief Halef laut.
    „Still, still!“ warnte ich. „Der Löwe wird auch gleich kommen; er scheint da unten auch eine Beute gefunden zu haben, denn ihr habt doch wohl auch die Rufe und dann den zweiten Schrei gehört?“
    „Ja.“
    „Es scheint ein zweifaches Unglück geschehen zu sein. Jetzt zum Schießen fertig, und keinen einzigen Laut mehr!“
    Wir

Weitere Kostenlose Bücher