Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Nedjedhengst, dessen Stammbaum ich aber leider nicht besitze.“
    „Unmöglich. Ein so kostbares Pferd – ohne den Stammbaum –?!“
    „Es ist so! Als die Abu Hammed sich zum letztenmal gegen uns erhoben, mußten sie den Frieden mit Pferden und Kamelen bezahlen, unter denen ich selbst die Auswahl traf. Das beste ihrer Pferde war der Rapphengst den ich meine; ich nahm ihn für mich; das war die schwerste Strafe, welche sie treffen konnte, und ich weiß, daß sie den Verlust selbst heut noch nicht verwunden haben. Der Hengst ist nicht bei ihnen geboren; sie haben ihn von einem Raubzug mitgebracht, und es war von keinem von ihnen zu erfahren, wer der frühere Besitzer des Tieres gewesen ist. So kommt es, daß ich einen echten Nedjedhengst, aber nicht auch seinen Stammbaum habe.“
    „Aber einen Namen hat er doch?“
    „Natürlich. Wie er früher geheißen hat, das weiß man nicht. Bei den Abu Hammed wurde er El Atim (der Dunkle) genannt, seiner Farbe wegen. Das war mir nicht genug, denn er verdient einen bessern, edleren Namen. Da fiel mir der Rapphengst ein, welchen, wie du mir erzähltest, dir dein Freund und Bruder Winnetou, der rote Krieger, geschenkt hat. Sag, wie war der Name dieses Pferdes?“
    „Hatatitla.“
    „Bedeutet das nicht so viel wie Barkh (Blitz) in meiner Sprache?“
    „Ja.“
    „Das wußte ich noch; du hast es mir gesagt, und darum habe ich das Nedjedpferd El Barkh genannt, weil dir der Hengst deines roten Freundes stets so teuer gewesen ist. Komm, und sieh dir seinen Namensbruder an!“
    Er führte mich ein ziemlich großes Stück in die Steppe hinein, bis dahin, wo die Kamelhirten ihre Tiere beaufsichtigten. Es befand sich nur ein einziges Pferd dort, der Nedjedi, den ich sehen sollte. Als er uns bemerkte, kam er auf uns zu und ließ sich von Halef liebkosen.
    „Nun, Sihdi, wie gefällt er dir?“ fragte dieser.
    Der Rappe hatte eine kleine, schmale Blässe unter der Stirn, welche sehr breit war. Der schön gebogene, feine Hals trug einen kleinen Kopf mit spitzen, gradstehenden Ohren. Die Nase war fast zugespitzt, das Auge hervorstehend und feurig, die Brust breit, der Widerrist scharf, der Rumpf kurz, das Bein sehnig und der Huf klein, rund und hart. Lobenswert war der schöne Schweifansatz, weniger aber das sehr lange und sehr dichte Mähnenhaar.
    Ohne die Frage des Hadschi gleich zu beantworten unterwarf ich das Pferd einer genauen Prüfung, mit der Besichtigung und Palpation der Augen beginnend und mit der Untersuchung der Hufe aufhörend. Dann mußte Halef es mir in allen Gangarten vorreiten. Als dies geschehen war und er abstieg, wiederholte er seine Frage:
    „Nun, wie gefällt er dir? Hast du Fehler gefunden?“
    „Sag vorher, ob auch du ihn schon auf Fehler untersucht hast!“
    „Ja.“
    „Und gefunden?“
    „Keine. Er ist fehlerfrei.“
    „Lieber Halef, glaubst du, daß es überhaupt ein fehlerfreies Pferd geben kann?“
    „Das verstehst du besser als ich.“
    „Eigentlich solltest du als Bedawi (Beduine) es besser verstehen als ich, dessen Beruf es ist, möglichst viel Federn und Tinte zu verbrauchen.“
    „Inaj' Allah! Sag aufrichtig: Hat dieser Hengst Fehler?“
    „Ja.“
    „Wenn das wahr ist, muß ich blind gewesen sein!“
    „O nein! Es handelt sich nur um Kleinigkeiten, welche den Wert des Pferdes nicht vermindern, wenigstens in meinen Augen nicht. Zunächst sind die Hinterhufe ungleich groß; aber der Unterschied ist so unbedeutend, daß du ihn noch gar nicht bemerkt hast: sodann sollte das Vorderteil etwas tiefer sein, und endlich ist die Stirn zwar breit, aber zwischen den Augen zu flach; sie sollte da gewölbter sein.“
    „Allah kerihm!“ seufzte er. „Eine solche Menge Fehler sind vorhanden? Aber du gibst doch sicher zu, daß es dennoch ‚hörr‘ zu nennen ist?“
    Hörr bedeutet hochedel und wird bei solchen Pferden gebraucht, deren Eltern beide fehlerfrei waren.
    „Nein, es ist nicht ‚hörr‘; sondern nur ‚mekueref‘, lieber Halef.“
    Mekueref bezeichnet ein Pferd, dessen Mutter edel, der Vater aber unedel war.
    „Beweise es!“ forderte mich der Hadschi auf.
    „Die Ohren stehen zu gerade; bei einem hochedlen Pferd müßten sich die Spitzen derselben fast berühren. Und sodann ist eine so dichte Mähne stets ein Zeichen gemischten Blutes. Ich kann dir dieses Urteil nicht ersparen, doch hast du gar keinen Grund, dich darüber zu betrüben. Assil Ben Rih ist edler als dieser Nedjedi; der Gebrauchswert beider aber ist jedenfalls ganz

Weitere Kostenlose Bücher