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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Verdacht erregen, dazu veranlaßt wird. Wenn ein Perser den Adhem wählt, um nach der Dschesireh zu kommen, so führt er sicher etwas im Schilde, was nicht alle Leute wissen dürfen, oder er hat drüben in seinem Land etwas begangen, was ihn zwingt, den Weg der Flucht und der Verborgenheit zu wählen. Habe ich nicht recht?“
    „Ich stimme dir bei; aber das ist für uns noch keine Veranlassung, sie feindlich fortzuweisen, wenn sie sich zu uns gesellen wollen. Übrigens wird es sehr schnell dunkel, und selbst wenn sie hier in der Bucht anlegen, fragt es sich, ob sie uns bemerken werden.“
    Die Perser befanden sich jetzt auf der Mitte des Stroms, und die Anstrengung mit welcher sie gegen das Gefälle desselben arbeiteten, machte es für uns gewiß, daß sie hier hüben landen wollten. Unser Lagerplatz war ihnen durch das Buschwerk verdeckt; sie konnten uns nicht sehen. Die Bucht war wohl zweihundert Schritt lang, und da sich die Schatten des Abends schon auf uns niederlegten, so hielt ich es für wahrscheinlich, daß die neuen Ankömmlinge am vorderen Teil unseres Schlupfhafens anlegen würden und nicht am hinteren, wo wir uns befanden. Das Hereinkommen wurde ihnen schwerer, als es uns geworden war, weil sie quer über den Strom mußten, und als sie endlich das stille Wasser erreichten, war es schon so dunkel geworden, daß wir sie nicht mehr erkennen konnten.
    Wir horchten, hörten aber nichts. Als eine Viertelstunde vergangen war, konnten wir überzeugt sein, daß sich meine Vermutung bewahrheitet hatte: die Perser waren weiter draußen als wir an das Ufer gegangen; sie ahnten nicht, daß sich schon jemand hier befand.
    Nun fragte es sich, wie weit sie von uns lagerten; das mußten wir wissen.
    „Sihdi“, sagte Halef, „wer hätte gedacht, daß schon heute das Leben der Wildnis für uns beginnt. Ich werde dir zeigen, daß ich das, was ich von dir lernte, noch nicht vergessen habe.“
    „Was?“
    „Das Anschleichen. Ich werde mich ganz leise, leise zu ihnen begeben, um zu sehen, wo sie sich befinden und was sie machen.“
    „Das wirst nicht du, sondern ich werde es tun; ich bin darin geübter als du.“
    „Effendi, willst du mich beschämen?“
    „Still! Denke an das, was Hanneh dir geraten hat: du sollst nicht vorschnell sein! Ehe du so etwas unternehmen kannst, mußt du dich erst wieder üben. Du kommst nicht ohne Geräusch durch diese Büsche. Ich glaube, du würdest so unklug sein, schon jetzt nach ihnen zu suchen!“
    „Natürlich gleich jetzt! Aus welchem Grund könnte man dies unklug nennen?“
    „Du kennst die Länge dieser Bucht. Wie lange brächte man zu, sie bei der Dichtheit des Gebüschs vorsichtig abzusuchen? Bis morgen früh! Ehe man damit beginnt, muß man wenigstens ungefähr wissen, wo sich die Perser befinden.“
    „Wie kann man das schon vorher wissen?“
    „Sie werden es uns sagen.“
    „Uns sagen? Sie selbst? Effendi, das werden sie auf keinen Fall!“
    „Lieber Halef, da siehst du, wie sehr du dich im ‚Leben der Wildnis‘ auf deinen Scharfsinn verlassen kannst! Diese Perser sind doch Mohammedaner?“
    „Ja, obgleich nur Schiiten, denen Alis Söhne beinahe höher stehen als Mohammed, der Prophet.“
    „Sie haben also jetzt zwei Gebete zu sprechen, nämlich das Mogreb, das Gebet der Dämmerung, und dann das Aschia, wenn es vollständig dunkel geworden ist. Sie nehmen an, hier allein zu sein, und werden also nicht leise, sondern laut beten, wie es vorgeschrieben ist, und das werden wir hören.“
    „Sihdi, das ist richtig; daran habe ich nicht gedacht!“
    „So merke dir, daß man grad im ‚Leben der Wildnis‘, wie du es nennst, an alles denken muß und nichts, gar nichts vergessen darf! Das Nichtbeachten des geringfügigsten Umstands kann großen Schaden bringen; das muß dir doch noch von früheren Reisen in Erinnerung sein. Du bist damals mein Schüler gewesen, aber nicht bis heut in Übung geblieben, wirst also wohl von vorn anfangen müssen.“
    „Oh, Sihdi, du verleumdest mich!“
    „Nein; ich meine es gut mit dir. Horch!“
    „Sie beten; sie haben das Mogreb begonnen.“
    „Und ehe sie es beenden, werde ich hinter ihnen sein. Du bleibst hier und hast auf die Pferde acht. Entferne dich auf keinen Fall!“
    Ich ging. Die Büsche bildeten einen nicht sehr breiten Saum, welcher sich am Ufer hinzog. Indem ich mich an der Außenseite desselben hinbewegte, kam ich natürlich viel schneller von der Stelle, als wenn ich durch das Gesträuch gekrochen wäre. Ich näherte

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