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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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antworten?“
    Jetzt zog er das Messer wirklich aus dem Gürtel. Halef antwortete in ruhigem Ton:
    „Laß sie nur stecken, denn ehe du mich mit ihr berühren könntest, würdest du eine Leiche sein!“
    „Allah! Glaubst du das in Wirklichkeit?“
    „Ja. Siehst du denn nicht, was meine Gefährte da in seiner Hand hält? Du hättest das Messer noch nicht erhoben, so säße seine Kugel dir schon im Kopf!“
    Ich hatte allerdings, als der Perser sein Messer zog sofort den Revolver in die Hand genommen. Er schob es wieder in die Scheide und sagte in selbstbewußtem Ton:
    „Wir würden ja sehen, wer schneller wäre, er oder ich! Ich bin aber bereit, dir zu verzeihen, wenn du mir Abbitte leistest.“
    „Abbitte“ lachte Halef. „Hast du es gehört, Effendi, ich soll Abbitte leisten, ich, Hadschi Halef Omar! Hat es jemals einen Menschen gegeben, welcher es unbestraft wagen durfte, eine solche Forderung an mich zu richten?“
    „Unbestraft?“ lachte der Perser. „Wer bist du denn, daß du in dieser Weise von dir sprichst?“
    „Wer ich bin? Du wirst es hören und darüber erstaunen! Ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah!“
    „Dieser Name ist lang wie eine Schlange, die man mit dem Fuß zertritt. Bist du weiter nichts?“
    „Du willst ein vornehmer Perser sein und weißt nicht einmal, daß der, welcher Hadschi Halef Omar heißt, der oberste Scheik der berühmten Haddedihn ist?“
    „So! Du bist also ein Haddedihn, meinetwegen auch der Scheik dieses Stammes; ich habe nichts dagegen! Und wer ist dein Kamerad?“
    „Der ist noch tausendmal berühmter als ich. Er ist der tapfere, unbesiegbare Emir Hadschi Kara Ben Nemsi Effendi, den alle seine Feinde fürchten.“
    „Fürchten?“ fragte der Pädär-i-Baharat, indem er seinen Blick mißtrauisch forschend über mich gleiten ließ. „Du nennst ihn Ben Nemsi?“
    „Ja.“
    „So stammt er wohl aus dem Lande, welches Aleman (Alemannia) genannt wird?“
    „Ja.“
    „So ist er ein Isäwi (Christ)?“
    „Ja.“
    Da sprang der Schiit rasch vom Boden auf, spie vor mir aus und rief:
    „Bi Khatir-i-Khuda – um Gottes willen! Was haben wir getan! Wir haben neben einem stinkenden Aas gesessen, neben einem Ungläubigen, welcher das Weib Miryam (Maria) anbetet und Isa (Jesus), den Lügner, für einen Gott hält! Allah verfluche euch! Wir haben uns an euch verunreinigt und müssen – – –“
    Er kam nicht weiter. Ich war ruhig sitzen geblieben, denn ich wußte, daß Halef an meiner Stelle handeln werde, und gönnte ihm diese Freude; dieser aber war aufgesprungen, legte die Hand an den Gürtel, um die Peitsche loszumachen und donnerte den Beleidiger so an, daß dieser mitten in der Rede innehielt:
    „Schweig, Unverschämter! Was fällt dir ein? Du kannst die Frechheit deiner Worte sehr leicht mit dem Leben zu bezahlen haben! Dieser mein Effendi braucht dich nur ein wenig mit der Hand zu berühren, so kannst du dich als Leiche am Boden liegen sehen! Aber das ist gar nicht nötig; er braucht keinen Finger zu rühren, denn wenn du nur noch ein einziges unrechtes Wort sagst, so hast du es mit mir zu tun!“
    Da trat der ‚Vater der Gewürze‘ einen Schritt zurück, ließ sein Auge verächtlich über die Gestalt seines Gegners gleiten, lachte laut auf und antwortete:
    „Was sagst du? Du, du willst mich zum Schweigen bringen? Dieser dein Effendi wird mich zu Boden schlagen? Ich würde mich vor zwanzig Kerlen, wie ihr seid, nicht fürchten! Ein solcher Zwerg und Knirps, wie du, kann mich mit einer solchen Drohung nur zum Lachen bringen, denn – – –“
    Er konnte auch dieses Mal nicht weitersprechen, und zwar aus einem viel ‚schlagenderen‘ Grunde als vorhin. Halef, welcher überhaupt niemals eine Beleidigung auf sich sitzen ließ, konnte durch nichts in so großen Zorn gebracht werden, als wenn man ihn wegen seiner kleinen Gestalt verspottete. In solchen Fällen pflegte die Strafe schnell wie ein Blitz der Tat zu folgen; so auch jetzt. Kaum waren die Worte Zwerg und Knirps ausgesprochen, so holte er aus und strich dem Perser die Nilhautpeitsche in einer solchen Weise quer über das Gesicht, daß der Getroffene mit einem überlauten Schrei zurücktaumelte und Mühe hatte, nicht zu Fall zu kommen. Das Gesicht mit den Händen bedeckend, wankte er halb bewußtlos hin und her. Seine beiden Gefährten schnellten von ihren Sitzen auf und zogen die Messer. Halef stand flammenden Auges mit hoch erhobener Peitsche da, und auch

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