20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
ich war natürlich nun aufgestanden, um dem wackeren Kleinen beizustehen.
So standen wir uns eine Weile wortlos und doch in sehr beredter Weise gegenüber, bis der Anführer der Gegner die Hände sinken ließ. Über dem Peitschenstrich, welcher das ganze Gesicht durchquerte, waren zwei in blöder Wut stierende Augen zu sehen, welche sich auf den Hadschi richteten; die beiden Arme wurden erhoben; die Hände ballten sich zu Fäusten, und dann tat der vor Grimm nicht mehr zurechnungsfähige Mann einen Sprung, um Halef zu packen; dieser aber wich gewandt zur Seite aus, versetzte ihm einen zweiten Hieb, welcher quer über die Oberlippe strich und schlug ihm dann den schweren Knauf der Peitsche so in den Nacken, daß er niederstürzte. Halef warf sich sofort auf ihn und nahm ihn mit beiden Händen am Hals fest.
Das war viel schneller geschehen, als man es erzählen kann, so schnell, daß die beiden Untergebenen des Persers keine Zeit gefunden hatten, ihrem Herrn zu Hilfe zu kommen. Jetzt wollten sie es tun und Halef von hinten fassen; aber ich streckte den einen mit meinem bekannten Jagdhieb an die Schläfe besinnungslos nieder und nahm den andern bei der Gurgel, daß er zwar schreien wollte, aber nur ein stöhnendes Röcheln hervorbrachte. Ich zog ihm das Messer und die Pistole aus dem Gürtel, schleuderte beides in das Wasser und warf ihn dann zu Boden, daß er liegenblieb. Da rief mir Halef zu:
„Sihdi, komm her! Du bist mit den Kerlen fertig; dieser aber macht mir zu schaffen; er will in die Höhe.“
„Hol Riemen vom Floß; wir binden sie!“ antwortete ich.
Während ich den Schiiten hielt, folgte er dieser Weisung, und dann dauerte es nicht lange, so waren alle drei an Händen und Füßen gefesselt.
„Was tun wir jetzt?“ fragte Halef. „War es notwendig, sie zu binden?“
„Ja.“
„Hätten wir nicht lieber einen andern Lagerplatz aufsuchen sollen?“
„Wir als Sieger? Fällt mir nicht ein! Auch brauchen wir den Schlaf, und ich habe keine Lust, diesen Menschen auch nur fünf Minuten davon zu opfern. Wollen einmal sehen, was sie einstecken haben!“
„Willst du Beute machen? Das sieht dir doch gar nicht ähnlich, Sihdi!“
„Nein; aber wir erfahren auf diese Weise vielleicht, was dieser angebliche Schahzahdä eigentlich ist.“
Ich hatte noch einen andern Grund dazu, den ich aber dem Hadschi jetzt nicht sagte, weil der ‚Vater der Gewürze‘, welcher nicht, wie seine Gefährten, besinnungslos war, dies gehört hätte. Wir untersuchten erst ihn. Ich hatte die heimliche Hoffnung, irgend etwas zu finden, was mir Aufschluß über seine Geheimnisse geben könne. Wir fanden zunächst nichts als sein Geld und die schon erwähnte Berechnung, aus der aber nichts zu ersehen war. Er hatte mehrere Ringe anstecken, dabei einen goldenen mit einer achteckigen Platte mit arabischen Buchstaben; auch dieser fiel mir jetzt noch nicht auf. Auch bei seinen Gefährten war nichts zu finden, bis ich schließlich nach ihren Fingern sah. Sie hatten ganz dieselben Ringe, nur daß diese bei ihnen von Silber waren. Ich zog sie ihnen ab und hielt sie an das Feuer, um die Schrift zu lesen. Ich sah ein sâ mit einem lâm verbunden, über welchem das Verdoppelungszeichen zu sehen war; das ergab das Wort Sill = Schatten.
Jetzt war ich überzeugt, das Gesuchte gefunden zu haben. Diese Ringe waren ohne allen Zweifel Erkennungszeichen, Beweise der Mitgliedschaft irgendeiner geheimen Verbrüderung. Ich mußte alle drei haben, aber ohne daß die Perser wußten, daß ich sie behielt. Ich hob also, ohne daß der ‚Vater der Gewürze‘ es sah, drei Steinchen vom Boden auf, nahm sie in die hohle Hand und sagte hierauf laut zu Halef:
„Das sind zwei sehr sonderbare Ringe. Ich will doch sehen, ob der dritte ähnlich ist.“
Hierauf bemächtigte ich mich auch des goldenen, indem ich ihn mit Gewalt von der Hand des vergeblich sich dagegen sträubenden Pädär-i-Baharat zog betrachtete ihn oberflächlich, als ob es meine Absicht gar nicht sei, das Wort, welches ganz dasselbe war, zu lesen, und erklärte dann dem Hadschi:
„Lieber Halef, das sind Zauberringe, welche jedenfalls noch aus der Zeit Harun al Raschids stammen. Bei uns Christen ist die Zauberei verboten, und so werde ich mir ein Verdienst erwerben, wenn ich diese Chawahtim el Chatija (Ringe der Sünde) in das Wasser werfe.“
Da rief der Perser zornig aus:
„Diese Ringe gehören uns, nicht dir! Seid ihr Diebe und Räuber? Her damit!“
„Das forderst du vergeblich“,
Weitere Kostenlose Bücher