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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mir eine tiefe, orientalische Verbeugung und sagte im Ton des Spottes:
    „Weil du so ein hoher Herr zu sein scheinst, will ich schleunigst nachholen, was ich versäumt habe; also: Ässälam aaleïkum!“
    Ich sagte nichts, sondern nickte nur, und zwar mit einer Miene, als ob ich seine Ironie gar nicht bemerkt hätte. Da fuhr er fort:
    „Das scheint dir noch nicht genug zu sein. Ich bitte dich also um die gnädige Erlaubnis, hinzusetzen zu dürfen. Ähwal-i-schärif – wie ist Ihr erlauchtes Befinden?“
    Da nahm ich den Ton eines Schulmeisters an, welcher einem Schüler ein Lob erteilt, und sagte:
    „So war es wenigstens einigermaßen richtig! Wenn du so glücklich sein wirst, öfters als bisher mit höflichen Leuten in Berührung zu kommen, halte ich es für nicht ganz unmöglich, daß du dich wenigstens gegen gewöhnliche Leute noch zu benehmen lernst. Die Art und Weise freilich, wie man sich gegen höher gestellte Personen zu verhalten hat, wirst du nie begreifen.“
    „Bi jahnäm – bei meiner Seele, das hat mir noch kein Mensch gesagt!“ brauste er auf.
    „So sei froh, daß ich es dir sage! Der Mensch, welcher seine Fehler erkennt, hat damit schon den ersten Schritt zur Besserung getan, und du scheinst ein Mann zu sein, welcher in Beziehung auf den Umgang mit andern noch sehr viel zu lernen hat.“
    „Hältst du dich etwa für denjenigen, von dem ich das lernen kann, was mir nach deiner Meinung jetzt noch fehlt?“
    „Ja.“
    „Maschallah! So hat also ein gütiges Wunder mich aus Persien hierher und mit dir zusammengeführt, damit ich Gelegenheit finde, hier im fremden Land die Lücken meiner ungenügenden Erziehung durch deine Hilfe auszufüllen! Ich ergreife natürlich mit großer Freude diese Gelegenheit und werde mich also zu dir setzen.“
    Er beugte schon die Knie, um auf orientalische Weise bei uns Platz zu nehmen; da aber wehrte ich schnell ab:
    „Halt! Das würde abermals ein Verstoß gegen die Höflichkeit sein. Habe ich dich eingeladen, uns Gesellschaft zu leisten?“
    „Nein. Ich hoffe aber, daß du nichts dagegen hast, denn sonst würdest du es sein, welchem die Höflichkeit mangelt, die ich von dir lernen will.“
    „Ganz richtig; aber man pflegt nicht Menschen einzuladen, welche man nicht kennt. Wir waren eher hier als du, und darum bist du, wenn du bei uns bleiben willst, verpflichtet, uns zu sagen, wer und was du bist. Dann wird es sich entscheiden, ob ich deine Anwesenheit begehrenswert für uns finde.“
    „Bäda – wie schlimm! Es ist also ganz von dir abhängig, ob ich bleiben darf oder nicht?“
    „Natürlich!“
    „So mußt du ein sehr hochstehender Herr sein, welcher gewohnt ist, nur in der Form des Befehles zu sprechen. Ich lege dir also mein Leben zu Füßen und bitte dich um die große Barmherzigkeit, mir zu erlauben, mich von dem Atem deines Mundes umwehen zu lassen. Hast du einmal den Namen Kaßim Mirza gehört?“
    „Nein.“
    „So sind dir die Verhältnisse meines Vaterlandes vollständig unbekannt. Ich bin dieser berühmte Kaßim Mirza und befinde mich unterwegs, um als Mu tämäd äl Mulk (‚Vertrauensmann des Königreiches‘) nach Bagdad zu reisen.“
    „So bist du wohl ein Schahzahdä?“
    „Ja.“
    Das Wort Schahzahdä bedeutet Sohn oder Nachkomme, zuweilen auch Verwandter des Schah von Persien. Der Mann log natürlich; er war weder mit dem Schah verwandt, noch dessen Abgesandter. Ich behielt diese meine Meinung aber für mich und machte nur die Bemerkung:
    „Da mußt du eine zahlreiche Begleitung bei dir haben. Wo befinden sich die Krieger und die Diener, welche dich zu beschützen haben?“
    „Ich bin selbst ein Krieger und ein Mann und bedarf keines Beschützers. Meine Reise hat unter dem Baldachin der Heimlichkeit zu geschehen, denn es sind mir wichtige Angelegenheiten anvertraut, von denen kein Mensch etwas ahnen darf. Darum habe ich nur zwei Begleiter mitgenommen und einen Weg gewählt, auf welchem ich der Gefahr entgehe, als Schahzahdä erkannt zu werden.“
    „Allah akbar! Da hätte sich meine Seele ja in ehrfurchtsvollster Dankbarkeit vor dir zu verbeugen!“
    „Siehst du das ein? Aber ich liebe es, gütig zu sein. Du brauchst dich von der Hoheit meiner Abkommenschaft nicht erdrücken zu lassen!“
    „Das fällt mir auch gar nicht ein. Ob du der Sohn eines Königs oder eines Bettlers bist, das ist mir vollständig gleichgültig. Wenn ich von Dankbarkeit sprach, so geschah dies nicht aus Ehrfurcht vor deiner Geburt, sondern aus

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