20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Meeres – – –?“
„Ja!.“
Da wendete sich der Perser an mich und sagte in mitleidigem Tone:
„Erlaube mir, daß ich dich nicht begreife!“
„Warum?“ fragte ich.
„Man macht doch keine Reise in der Gesellschaft eines Mannes, in dessen Kopf der Irrsinn wohnt!“
„Irrsinn? Wie kommst du zu diesem Wort?“
„Wer behauptet, mit der Eisenbahn über das Meer gefahren zu sein und die Bahnhöfe mitgenommen zu haben, dessen Gehirn ist krank!“
„Du irrst. Das Gehirn dieses meines Freundes ist vielleicht gesünder, als das deinige.“
„So willst du behaupten, daß er die Wahrheit gesagt habe?“
„Ich behaupte, daß er stets ganz genau weiß, was er sagt.“
„Allah erbarme sich! Er ist nicht allein krank, sondern ihr seid beide verrückt!“
Sein Auge ging forschend zwischen mir und Halef hin und her, doch nur für kurze Zeit, denn seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt. Unsere Pferde waren, sich nahe zusammenhaltend und von Busch zu Busch die jungen Zweige fressend, in den Bereich des Feuerscheines gekommen. Der Perser sah sie; er war jedenfalls ein Kenner, denn kaum war sein Blick auf sie gefallen, so sprang er auf und ging hin, die Tiere zu betrachten.
„Was sehe ich!“ rief er aus. „Zwei wahnsinnige Menschen haben solche Pferde! Diese Hengste sind unverkäuflich; sie können nicht bezahlt werden! Kommt her! Schaut sie an! Selbst im Stall des Schah-in-schah kann es nichts Edleres geben!“
Diese Aufforderung galt seinen Begleitern. Sie folgten derselben. Die Pferde wurden von allen Seiten betrachtet. Dabei sprachen die drei Männer leise und immer leiser miteinander. Wir taten, als ob wir das und die sonderbaren Blicke, welche sie auf uns warfen, gar nicht beachteten. Dann kehrten sie zu uns zurück und setzten sich wieder nieder.
„Diese Pferde sind euer Eigentum?“ fragte der mit dem Zapfenbart.
„Ja“, antwortete Halef. „Glaubst du, daß Könige auf fremden Pferden reiten?“
„Von wem habt ihr sie?“
„Selbst gezüchtet. Unsere Marställe wimmeln von solchen edlen Tieren.“
„Ich sehe hier ein Floß am Ufer liegen. Gehört es euch?“
„Ja.“
„Ihr seid also nicht zu Pferde hierher gekommen?“
„O doch!“
„Aber wenn man ein Floß benutzt, reitet man doch nicht!“
„Das denkst du bloß; aber die Beherrscher von Ustrali und Yängi dunya machen das anders. Wir haben die Pferde an das Floß gespannt, uns in den Sattel gesetzt und sind dann so den Tigris herabgeritten.“
„Du bist verrückt, wirklich verrückt!“
„Lächerlich! Wie könnte ich ganz Ustrali regieren, wenn ich wahnsinnig wäre!“
„Grad das ist ja deine Verrücktheit, daß du dir einbildest, der Schah von Ustrali zu sein!“
„Dann bist du ganz ebenso verrückt wie ich!“
„Wieso?“
„Weil du dir einbildest, ein Schahzahdä zu sein und Kaßim Mirza zu heißen.“
„Das ist keine Einbildung, sondern Wahrheit!“
Da wendete sich Halef mir zu und sagte, indem er den Kopf schüttelte:
„Effendi, hast du so etwas für möglich gehalten? Dieser Mann hält uns für wahnsinnig und muß doch selbst im höchsten Grad verrückt sein, sonst hätte er schon längst begriffen, warum ich uns für Könige ausgebe. Wenn er ein Schahzahdä ist, müssen wir beide wenigstens Beherrscher ganzer Weltteile sein!“
Jetzt erst begann der Perser zu ahnen, daß er eine Ironie für Ernst genommen hatte. Er blitzte den Kleinen mit zornigen Augen an und fragte:
„So hast du also die Absicht gehabt, mich zu verspotten?“
„Ja“, lautete die furchtlose Antwort.
Die Hand des ‚Vaters der Gewürze‘ zuckte nach dem Gürtel; er zog sie aber wieder zurück und sagte in ruhigerem Tone:
„Eigentlich sollte ich dich züchtigen; aber da fällt mir ein, daß du vielleicht gar nicht weißt, mit wem du redest. Kennst du den Unterschied zwischen Kaßim Mirza und Mirza Kaßim?“
Es muß bemerkt werden, daß das Wort Mirza, wenn es hinter dem Namen steht, so viel wie ‚Prinz‘ bedeutet; steht es vor dem Namen – z.B. Mirza Schaffy – so ist es ein Titel, welcher jedem gebildeten Manne zukommt.
„Ich kenne ihn“, antwortete Halef.
„Ich heiße nicht Mirza Kaßim, sondern Kaßim Mirza; du hast also einen Prinzen vor dir!“
„Du heißt weder Mirza Kaßim noch Kaßim Mirza, und ich habe also weder einen Prinzen noch einen Mann vor mir, welcher das Wort Mirza vor seinen Namen setzen darf!“
„Allah! Welch eine Beleidigung! Soll ich dir mit der scharf geschliffenen Klinge
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