20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
antwortete ich. „Es ist meine Pflicht, euch von der Zauberei abzuhalten, die euch in das Verderben führt. Die Ringe gehören in das Wasser, wo sie nie wieder zu finden sind. Paß auf! Eins – zwei – drei –!“
Ich warf bei jedem dieser drei Worte ein Steinchen in die Flut. Der Perser hörte sie fallen und war überzeugt, daß es die Ringe seien, denn er sagte nach dem letzten Wurf in höhnischem Ton:
„Glaube ja nicht, daß du dir mit diesem Diebstahl ein Verdienst erworben hast! Es gibt mehr solche Ringe, als du denkst, und wir werden schon in kurzer Zeit wieder welche haben. Mit euch aber rechnen wir ab: das schwöre ich dir bei Ali, dem größten der Kalifen, zu!“
Während ich unbemerkt von ihm die Ringe einsteckte, antwortete ihm Halef, welcher als früherer Anhänger der Sunna nicht hoch von Ali dachte:
„Oh, schweig von diesem größten der Kalifen! Er hatte einen kahlen Kopf; sein Bart sah aus wie ein weißer Baumwollwisch, und sein Bauch hing ihm bis auf das Knie herab, denn er war ein Fresser, wie es keinen zweiten gegeben hat, soweit die Erde reicht. Und wenn ihr Schiiten sagt, daß sein heiliger Herrscherberuf aus seiner Liebe und Treue zu Fatimeh, der Tochter des Propheten, erwachsen sei, so sind wir Sunniten besser unterrichtet und wissen, daß diese seine Fatimeh Khanum viel länger am Leben geblieben wäre, wenn sie sich nicht über noch acht andere Frauen und zwanzig Sklavinnen zu Tode geärgert hätte!“
„Allah verdamme deine böse Zunge! Wenn du in meine Hände fällst, werde ich sie dir aus dem Mund schneiden!“
Inzwischen war seinen beiden Untergebenen das Bewußtsein zurückgekehrt; sie verhielten sich ganz ruhig. Um unbesorgt schlafen zu können, mußten wir der Gefangenen vollständig sicher sein; wir banden sie also einzeln, voneinander entfernt, an drei Büsche so fest, daß sie unmöglich loskommen konnten, und zogen uns dann mit unsern Pferden so weit vom Wasser zurück, daß wir, falls die Perser durch irgendeinen Zufall losgekommen wären, von ihnen erst nach langem Suchen hätten gefunden werden können. Ihre Waffen, außer denen, die ich in das Wasser geworfen hatte, nahmen wir natürlich mit. Wir legten uns mit unsern Pferden nieder. Als ich dem meinigen die betreffende Sure in das Ohr gesagt hatte, fragte mich Halef:
„Sihdi, du hast ein Geheimnis vor mir. Darf ich es erfahren?“
„Welches Geheimnis meinst du?“
„Als du die Ringe in das Wasser geworfen hattest, stecktest du etwas heimlich ein. Was war das?“
„Das waren die drei Ringe.“
„Die kannst du doch nicht einstecken, wenn sie im Wasser liegen!“
„Ich habe sie eben nicht weggeworfen.“
„Nicht? Ich hörte sie doch hineinfallen!“
„Das waren Steine.“
„Allah! Warum diese Täuschung?“
„Sie galt nicht dir, sondern dem Perser. Er gehört mit seinen Begleitern einer heimlichen Verbindung an; die Ringe sind sehr wahrscheinlich die Zeichen der Mitgliedschaft. Wer weiß, wie weit diese Verbindung verbreitet ist, vielleicht über ganz Persien. Wir aber gehen nach Persien. Verstehst du mich vielleicht?“
„Ich ahne, was du meinst, du denkst an alles und wendest jede Sache und jedes Ereignis zu deinem Nutzen an. Wir kennen das Zeichen dieses Bundes; das kann uns unter Umständen in Persien von großem Vorteil sein.“
„Daß wir dieses Zeichen kennen ist nicht so wichtig, wie daß wir es auch besitzen. Es kann die Möglichkeit eintreten, daß wir uns mit Hilfe dieser Ringe für Sillan ausgeben.“
„Sillan? Was ist das?“
„So nennen sich die Mitglieder. Jedes einzelne wird Sill genannt. Dieses Wort, Schatten, deutet auf eine geheime Tätigkeit hin, welche jedenfalls keine gesetzliche ist, weil sie das Licht des Tages scheut. Die gewöhnlichen Mitglieder haben silberne, die Vorgesetzten aber goldene Ringe. Wenn ich mich nicht irre, wird der Oberste dieses Geheimbundes Ämir-i-Sillan genannt.“
„Sihdi, ich habe einen Gedanken! Sollte es sich um die Sekte der Babi handeln?“
„Das ist möglich. Zwar möchte ich die Babi und die Sillan nicht als gleichbedeutend nehmen, aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß die letzteren zu den ersteren gehören. Du weißt genau, was die Babi sind und was sie wollen?“
„Nicht genau. Ich habe nur gehört, daß sie Feinde des Schah sind und von diesem unerbittlich verfolgt werden; warum aber, das ist mir unbekannt. Kannst du es mir sagen, Effendi?“
„Ja. Der Gründer dieser Sekte war der junge Ali Mohammed aus Schiras,
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