20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
desselben gekommen?“
„Davon später! Habt ihr an der falschen Stelle, also an der, welche du erwähntest, sofort zu graben angefangen?“
„Nein, denn ich hatte meine zehn Zollwächter in Hilleh zurückgelassen und war zunächst mit Kepek und den Führern allein nach dem Birs geritten, um mir die Stelle zeigen zu lassen. Es konnten sich womöglich Gründe ergeben, die Nachforschungen nicht vor den Augen der Untergebenen vorzunehmen.“
„Welch eine unvorsichtige Vorsichtigkeit! Erzähle weiter! Ich bin überzeugt, daß jetzt die Schmuggler über euch herfallen werden.“
„Du scheinst allwissend zu sein, Effendi, denn es ist wirklich so, wie du sagst. Wir waren nämlich kaum von den Pferden gestiegen, so tauchten aus einer Vertiefung seitwärts von uns mehr als zwanzig bewaffnete Kerle auf, welche so schnell auf uns eindrangen, daß wir gar nicht Zeit fanden, an Gegenwehr auch nur zu denken. Einige Augenblicke später waren wir niedergeworfen, festgehalten und gebunden worden. Auch die Augen verhüllte man uns. Ich hörte eine Stimme in befehlendem Ton sagen: ‚Fort mit ihren Pferden, weit fort, und schnell hinauf mit ihnen, daß kein Kumrukdschi (Zollbeamter) ahnen kann, was geschehen ist; denn die zehn anderen Hunde, welche dieser Bimbaschi mitgebracht hat, werden wohl auch bald eintreffen.‘ Ich fühlte, daß ich aufgehoben und fortgeschleppt wurde, nicht abwärts oder zur ebenen Erde, sondern sehr steil aufwärts, wo man mich dann niederlegte. Ich sage dir, daß mir nicht wohl zumute war, denn ich kannte den Haß der Schmuggler gegen mich und hatte allen Grund, um mein Leben besorgt zu sein.“
„Es war nicht so schlimm; du lebst ja noch!“
„Scherze nicht! Als ich nun auf der Erde lag, vernahm ich das Geräusch von aneinander klingenden Steinen, wie wenn ein Maurer bei der Arbeit ist. Das dauerte längere Zeit und ohne daß ich ein gesprochenes Wort zu hören bekam; dann wurde ich wieder aufgehoben und fortgeschleift, wobei ich, wie ich wohl bemerkte, bald rechts, bald links an Steine, also wahrscheinlich an Mauern stieß. Hierauf wurde ich abermals niedergelegt, worauf man endlich zu sprechen begann, aber leider persisch, was ich damals nicht so wie heute verstand. Ich habe mir nur den Namen Gul-i-Schiraz gemerkt, welcher mir auffallen mußte, weil er wiederholt genannt wurde. Nach einiger Zeit hörten wir Schritte, welche sich entfernten; dann wurde es still.“
„Und Kepek?“ fragte ich. „Was war mit ihm geschehen? Wo befand er sich?“
Da ergriff der Dicke, seit wir uns oben auf dem Dach befanden, zum erstenmal das Wort, indem er antwortete:
„O Emir, ich lag neben meinem Herrn, denn man hatte mich ganz genau wie ihn behandelt und mich auch in dieses Loch des Verderbens geschleppt. Ich zitterte vor Besorgnis nicht um mich, sondern um ihn, und war hocherfreut, als ich seine geliebte Stimme hörte. Er fragte nämlich, ob noch jemand da sei, und als ich ihm meinen Namen genannt hatte, besprachen wir die Lage, in welcher wir uns befanden.“
„Ihr beide?“
„Ja.“
„Und eure Spione, die mit euch gekommen waren?“
„Die lagen nicht bei uns.“
„Das glaube ich gern, denn es ist so, wie ich vermutete: Sie waren mit den Schmugglern verbündet, und es verstand sich ganz von selbst, daß ihnen nichts geschah. War es euch denn nicht möglich, von den Fesseln loszukommen?“
„Nein“, antwortete der Bimbaschi. „Ich versuchte es auf alle mögliche Weise, aber vergeblich. Wir lagen lange, lange Zeit; es schien ein halber, ja ein ganzer Tag zu sein und die Glieder schmerzten uns von diesem langen Liegen. Da endlich nahten wieder Schritte; wir hörten, daß mehrere Personen kamen. Die Augen wurden uns freigegeben, und wir sahen drei Männer vor uns stehen und einen vierten, welcher unweit von uns auf einem Stein saß. Dieser wurde von einem der drei gefragt, was er gehört habe, und er berichtete jedes Wort, welches von uns gesprochen worden war. Daraus erkannten wir nun, daß wir nicht allein gewesen waren, denn dieser Mensch hatte uns bewachen und belauschen müssen.“
„Waren Fenster oder sonstige Öffnungen in dem Raum?“
„Nein.“
„So muß er erleuchtet gewesen sein. Wodurch?“
„Durch irdene Öllämpchen, von denen ich später, als ich mich aufrichten durfte, einen ganzen Vorrat nebst einer großen Ölkanne in einer Nische stehen sah.“
„Kannst du mir sagen, wie der Raum beschaffen war?“
„Ja, denn ich habe mich lange genug in demselben befunden; er ist
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