20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
keinen Grund dazu.“
„Waren sie bei dir, um dir die Stelle zu zeigen?“
„Ja.“
„Bist du auch noch später im Verkehr mit ihnen gewesen?“
„Nein. Sie müssen die Gegend dann gleich verlassen haben; aber das ist keine Ursache, sie für Betrüger zu halten. Sie hatten stets den besten Eindruck auf mich gemacht, und besonders der eine, welcher Safi heiß, sah wie die Ehrlichkeit selber aus.“
„Safi?“ fragte ich unwillkürlich, indem ich an den Mann aus Mansurijeh dachte, welcher uns an die Perser verraten hatte. „Wie alt war dieser Araber?“
„Warum willst du das wissen?“
„Weil ich einen Mann dieses Namens kenne.“
„Es gibt viele Menschen, welche so heißen.“
„Wann ist das, was du erzählst, geschehen?“
„Vor vier Jahren.“
„Wie alt war der Mann ungefähr?“
„Er sagte, er zähle vierzig Jahre, sah aber älter aus. Der andere Beduine hieß Aftab, und auch von ihm möchte ich schwören, daß er treu und ohne Falsch war.“
„Aftab! Safi und Aftab, sonderbar, hm, sonderbar!“
Er sah mich erstaunt an und fragte:
„Kennst du vielleicht auch einen Mann dieses Namens?“
„Allerdings, und wenn meine Vermutung mich nicht täuscht, so kann auch ich nun schwören und nicht bloß ahnen wie vorhin, nämlich, daß du in eine dir gestellte Falle gegangen bist.“
„Rzecz smieszna! Hältst du mich für so dumm, daß mir so etwas geschehen kann?“
„Es sind nicht die dummen, sondern sogar sehr pfiffige Tiere, welche man in Fallen fängt. Ich bitte dich, in deiner Erzählung fortzufahren.“
„Das will ich tun, bin aber neugierig, wie du deine Behauptung wirst beweisen wollen.“
„Das wirst du wahrscheinlich sehr bald hören. Übrigens deutest du an, daß ihr die Werkzeuge zum Graben von hier mitgenommen habt. Ihr seid doch wohl nach Hilleh geritten?“
„Ja. Man muß doch dorthin, wenn man nach den Ruinen von Babylon will!“
„Man kann diese Stadt vermeiden, wenn man beabsichtigt, etwas zu tun, was niemand wissen soll.“
„Wir haben sogar die Nacht dort zugebracht und sind dann am Morgen nach dem Birs Nimrud geritten.“
„So war es unnötig, euch mit den Werkzeugen zu schleppen; ihr hättet in Hilleh welche haben können.“
„Wir wollten dort nicht wissen lassen, was wir zu tun beabsichtigen.“
„Man hat aber eure Hacken und Schaufeln dort jedenfalls bemerkt, die eure Absichten auch schon zwischen hier und Hilleh verraten haben.“
„Wieso und an wen?“
„Ich nehme an, daß ihr unterwegs beobachtet worden seid.“
„Wir sind nur in Khan Bir Nust und Khan Mahawid, wo sich wenig Menschen befanden, eingekehrt und haben unterwegs einige Reiter nur von weitem bemerkt.“
„Von weiten? Diese Reiter vermieden also den Weg? Warum? Sie kamen nicht näher, weil sie euch beobachteten; sie gehörten zu den Schmugglern, denen ihr später in die Hände fielet.“
„Effendi, du spricht so, als ob du schon alles wüßtest, was ich dir erzählen will. Also, wir kamen wohlbehalten in Hilleh an, übernachteten dort und ritten dann früh nach dem Birs Nimrud hinaus, wo Aftab und Safi uns die Stelle zeigten, um welche es sich handelte.“
Er drehte den ausgerauchten Tschibuk in der Hand um und machte mit der Pfeifenspitze Striche vor sich hin, als ob er ein Papier vor Augen und einen Stift in der Hand habe, um die angegebenen Richtungen zu zeichnen. Dabei fuhr er fort:
„Also hier liegt Hilleh, und so, wie ich es dir jetzt zeige, ritten wir. Da vorn liegt der Turm zu Babel; von dieser Seite näherten wir uns ihm. Dann wurden wir hier nach links geführt, wo ein Haufen von Steinen mit Keilinschriften lag. Von da ging's schief nach rechts empor, einen Einschnitt hinan, hierauf wieder nach links, wo wir um einen Vorsprung schwenkten, der aus meist beschädigten, verglasten Ziegeln bestand. Hinter diesem Vorsprunge lag die Stelle.“
„Nein“, rief ich in meiner plötzlichen Erregung fast überlaut.
„Nicht?“ fragte er erstaunt. „Wie kommst du zu dieser Behauptung?“
„In diesem Augenblick weiß ich, daß die von dir bezeichnete Stelle nicht die rechte ist; die richtige muß weiter oben liegen.“
„Du bringst mich in Verwunderung. Welche Stelle soll die richtige sein?“
„Die, wo man in das Versteck der Schmuggler gelangt!“
„Das ist richtig, sehr richtig, Effendi. Ich höre, daß du im Besitz eine Geheimnisses bist, welches niemals zu verraten wir, um unser Leben zu retten, einen schweren Eid ablegen mußten. Wie bist du in den Besitz
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