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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mir verbitten“, antwortete ich. „Eure Furcht ist ohne allen Grund, denn wir haben nun gewonnen.“
    „Das mag der Himmel geben, wenn ich auch nicht weiß, auf welche Weise!“
    „Beeilen wir uns nicht zu sehr! Es ist vielmehr meine Absicht, sie näherkommen zu lassen.“
    Die Verfolger waren so weit hinter uns, daß ich sie mit dem Bärentöter, aber nicht mit dem Stutzen, erreichen konnte. Da begann der Häuptling sich zu regen. Wir mußten anhalten, um ihn zu binden, und stiegen darum ab. Wir befestigten ihm die Hände auf dem Rücken, wobei er vollends zu sich kam. Er sah seine Leute kommen und wollte sich sträuben, um uns um die kostbare Zeit zu bringen; da richtete ich den Stutzen auf ihn und drohte:
    „Noch eine einzige Bewegung, und ich erschieße dich! Es ist mein Ernst! Setzt ihn aufrecht auf das Pferd, und bindet ihn da fest!“
    „Warum aufs Pferd?“ fragte Perkins.
    „Weil da seine Halunken deutlich sehen, was für ein schönes Ziel er meinem Gewehr bietet. Wir spielen unsern Trumpf jetzt aus.“
    Er mußte einsehen, daß es mir jetzt mit meiner Drohung ernst war, und fügte sich. Sein Widerstand hatte uns doch so aufgehalten, daß uns die Comanchen beträchtlich näher gekommen waren.
    „Sie kommen, sie kommen; sie werden sogleich da sein!“ klagte Perkins.
    „Sie werden im Gegenteil sogleich halten bleiben“, antwortete ich. „Ich werde sie sogleich darum ersuchen.“
    Ich legte den Bärentöter an und schoß die beiden Läufe desselben ab; zwei Pferde stürzten und ihre Reiter mit; natürlich hatte ich nur die ersteren getroffen. Die Roten ritten dennoch weiter. Da richtete ich den Stutzen auf sie und warf mit sechs schnell aufeinander folgenden Schüssen ebensoviele Pferde nieder. Da hielten sie freilich an und sandten uns ein Wutgeheul zu. Ich benützte dies, um wieder zu laden, und sagte dabei in drohendstem Ton zu To-kei-chun:
    „Schau nach der Sonne, wie tief sie bereits steht! Sobald sie den Horizont berührt, erschieße ich dich, wenn die gefangenen Bleichgesichter mir nicht bis dahin ausgeliefert worden sind. Old Shatterhand schwört nie; dieses Wort aber ist wie ein Schwur. Rechne ja nicht länger auf meine Nachsicht; sie ist zu Ende!“
    Er lächelte mit überlegenem Grinsen zu mir vom Pferde herunter und antwortete:
    „Old Shatterhand wird mich nicht erschießen!“
    „Meinst du? Welche Gründe könnte ich wohl haben, dies nicht zu tun?“
    „Zwei Gründe.“
    „Nenne Sie!“
    „Old Shatterhand vergießt nie Blut, außer im Kampfe, und auch da nur dann, wenn es sein Leben gilt und er gar nicht anders kann.“
    „In diesem Falle befinde ich mich doch jetzt!“
    „Nein!“
    „Doch! Stehe ich nicht deinen Leuten gegenüber? Wollen sie mich nicht angreifen? Ist das nicht Kampf? Sie wollen auf mich schießen. Gilt es da nicht mein Leben?“
    „Sie wollen dich nur fangen.“
    „Das ist Ausrede. Wenn es ihnen gelänge, mich festzunehmen, müßte ich am Marterpfahl sterben. Es handelt sich also sehr um mein Leben. Und der andere Grund?“
    „Die Klugheit verbietet dir, mich zu erschießen. Ich bin eine Geisel in deinen Händen, die du nicht vernichten darfst. Du willst die Bleichgesichter retten; das kannst du nur dadurch, daß ich mich in deiner Gewalt befinde. Ich lache also über deine Drohung.“
    Bei diesen Worten grinste er mich wieder triumphierend an. Jetzt lachte ich ihm auch in das Gesicht und entgegnete:
    „To-kei-chun hält sich für sehr klug und ist überzeugt, jetzt durch seine Pfiffigkeit Old Shatterhand überwunden zu haben; aber was du für List hältst, ist nicht List, sondern Kurzsichtigkeit. Ja, ich betrachte dich als eine Geisel, die ich gegen die Bleichgesichter austauschen will. Ich habe dich darum aufgefordert, jetzt die Auswechslung zu bewerkstelligen; du weigerst dich, weil du glaubst, daß ich meine Drohung, dich im Weigerungsfalle zu töten, nicht ausführen werde. Dadurch wirfst du deine beiden eigenen Gründe über den Haufen. Freiheit gegen Freiheit, Leben um Leben! Gibst du mir die Gefangenen, so lasse ich dich los. Gibst du mir sie nicht, so willst du ihren Tod; dann habe ich keine Ursache mehr, dich zu schonen, und werde dich erschießen.“
    „Dann müssen auch die Bleichgesichter sterben!“
    „Sie werden ohnedies getötet, weil du sie nicht herausgeben lassen willst.“
    „Sie würden augenblicklich erschossen!“
    „Du noch eher als sie! Und es ist besser, sie werden gleich jetzt erschossen, als daß sie langsam am Marterpfahl

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