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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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freilich langsam und mißtrauisch, herbeigeritten. Als er in einiger Entfernung zögernd anhielt, forderte ich ihn auf:
    „Komm vollends heran! Wir werden dich nicht als Feind behandeln.“
    „Ist das keine List von dir?“ fragte er vorsichtig.
    „Nein. Ich gebe dir mein Wort, und Old Shatterhand hat noch nie sein Wort gebrochen.“
    Da kam er vollständig heran, und To-kei-chun sagte ihm, was zu geschehen hatte. Er war sichtlich nicht entzückt darüber, ließ aber kein Wort des Widerspruches, nicht einmal eine Bemerkung hören, und ritt dann wieder fort. Wir sahen ihm nach, sehr gespannt darauf, welchen Eindruck seine Botschaft auf die Indsmen hervorbringen werde.
    Sie scharten sich im Kreis um ihn; bald entstand eine unruhige Bewegung unter ihnen, aber zu hören gab es nichts; sie sahen ein, daß sie gehorchen mußten, und ergaben sich schweigend in das Unvermeidliche. Nach einer Weile öffnete sich ihr Kreis, und wir sahen die Gefangenen auf ihren Pferden erscheinen. Sie hatten ihre Gewehre und kamen schnell auf uns zugeritten; kein Roter folgte ihnen.
    Die beiden Snuffles waren auf ihren Maultieren voran. Noch ehe sie uns erreicht hatten, rief mir Jim zu:
    „Endlich mußten die Kerls Verstand annehmen! Es war aber auch Zeit dazu, denn morgen früh sollten wir ausgelöscht werden!“
    „Hättet es eigentlich auch nicht anders verdient“, antwortete ich kurz. „Kommt her; steigt ab, und seid Zeugen des Abkommens, welches ich mit To-kei-chun treffen werde!“
    „Abkommen? Was für ein Abkommen soll da noch zu treffen sein? Wir sind frei; er aber ist noch gefangen und wird ausgelöscht! Das ist doch ganz selbstverständlich!“
    „Nicht so sehr, wie Ihr denkt. Habt Ihr Euer Eigentum zurückerhalten?“
    „Ja.“
    „Alles? Wem etwas fehlt, der mag sich melden.“
    Es ergab sich, daß die Roten nur einige Kleinigkeiten behalten hatten. Das waren Gegenstände, auf welche leicht verzichtet werden konnte; ich sah also von Reklamationen, welche ja doch nur Weitläufigkeiten und Zeitversäumnis ergeben hätten, ab, denn es begann schon zu dunkeln, und ließ dem Häuptling die Fesseln abnehmen, so daß er frei vom Pferd steigen konnte. Jim Snuffle wollte dagegen Einspruch erheben, ich bemerkte ihm aber in einem keineswegs freundlichen Tone:
    „Ihr habt hier gar nichts zu befehlen, Mr. Snuffle, sondern Euch ruhig in das zu fügen, was ich bestimme!“
    „Aber bedenkt doch, Sir, was Ihr da für einen Fehler begeht!“ entgegnete er. „Dieser Schurke hat den Tod verdient und soll doch, wie es scheint, freigelassen werden. Das muß für ihn doch das allerhöchste der Gefühle sein!“
    „Bekümmert Euch einstweilen nicht um seine Gefühle, sondern um die Eurigen! Ihr werft mir einen Fehler vor. Was habt denn Ihr gemacht?“
    „Ich? Wann denn?“
    „Als Euer Bruder so schön mitten in das Lager der Roten hinein Schlitten fuhr!“
    „Ich wollte ihn heraushauen. War das etwa ein Fehler?“
    „Was denn sonst?“
    „Meine Pflicht war es, aber kein Fehler. Ich werde doch meinen Bruder nicht stecken lassen sollen!“
    „Das solltet Ihr auch nicht; ich wenigstens hätte es Euch nicht zugemutet. Aber war es da grad notwendig, ihm so kopflos und kopfüber nachzustürzen und Euch den Roten auch gefangen zu geben?“
    „Hm! Wurde so hineingetrieben; konnte mich nicht halten; mußte hin zu meinem alten Tim. Da fielen die Kerls über mich her und nahmen mich bei allen meinen Gliedern. Ich wehrte mich zwar so gut, wie ich konnte, kam aber nicht los. Habe tüchtige Püffe erhalten, ganz gewaltige Püffe, und wurde dann gebunden; tun mir noch jetzt alle Glieder weh!“
    „Seid froh, daß Ihr mit nur den Püffen davongekommen seid! Sie sind Euch zu gönnen, denn Ihr habt sie verdient. Redet also ja nicht zu mir von einem Fehler, den ich mache! Ich gebe den Häuptling frei, weil Ihr Eure Freiheit zurückerhalten habt. Oder mutet Ihr mir zu, ihn abzuschlachten?“
    „Abschlachten? Fällt mir nicht ein! Bin nie ein Menschenschlächter gewesen. Aber eine Kugel hat er verdient; das ist gewiß. Doch tut meinetwegen, was Ihr wollt. Und wenn Ihr ihn in einer Staatskarosse nach Hause fahren laßt, ich hab nichts dagegen.“
    Sein Bruder war so klug, gar nichts zu sagen. Die andern Befreiten wollten sich gegen Dschafar und Perkins in Mitteilungen ergehen; ich machte sie darauf aufmerksam, daß dies für später aufzuheben sei, und forderte den Häuptling auf, sich niederzusetzen. Er tat es; ich setzte mich zu ihm und stopfte meine

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