20 - Mutter der Monster
verschwinde mit ihr.«
»Schon kapiert«, sagte Buffy.
»Und setze deinen Verstand ein.«
»Genau das hatte ich auch vor.« Schließlich ist mein Verstand so ziemlich die einzige Waffe, die mir zur Verfügung steht, fügte die Jägerin im Stillen hinzu.
»Und...«
»Giles«, sagte Buffy, als sie die Bibliothekstür aufzog.
»Ja?«
»Ich gehe.«
»Nun ja – viel Glück«, sagte er.
»Danke«, erwiderte Buffy. Sie ließ die Tür los und hörte, wie sie hinter ihr zufiel. Ihre Freunde, ihren Wächter aussperrte.
Ich bin auf mich allein gestellt, dachte Buffy. Nicht einmal Angel, der oftmals Wege beschreiten konnte, die den anderen versperrt waren, konnte ihr helfen.
Sie war alles, was zwischen ihrer Mutter und einem ungewissen Schicksal stand.
Steh nicht bloß herum, beweg dich endlich, sagte sie sich.
Von jetzt an, mehr denn je, zählte jede Sekunde.
Zehn Minuten später war Buffy zu Hause und bewegte sich mit der Zielsicherheit einer Lenkrakete durch die Räume. Sie durchwühlte Kleiderschränke, stöberte in Schubladen. Keine Waffen, hatte Nemesis gesagt.
Aber das ist nicht dasselbe wie mit leeren Händen zu gehen, nicht wahr?
Das Problem war, dass Nemesis die Regeln aufstellte, was es Buffy fast unmöglich machte, mit Sicherheit sagen zu können, was als Waffe galt und was nicht. Sie wollte sich aber auch nicht mit einem Haufen unnützer Dinge belasten, ohne zu wissen, gegen was sie während der bevorstehenden Prüfung kämpfen musste.
Verzweifelt schlug sie die Tür des Medizinschränkchens im Badezimmer zu. Was hatte sie überhaupt dort gesucht? Glaubte sie im Ernst, sie konnte ihre Mutter retten, indem sie ihre Zahnbürste zückte?
Die Borsten standen zwar in alle Richtungen ab, weil sie sich die Zähne so kräftig zu putzen pflegte, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass sich die Mächte der Finsternis davon einschüchtern ließen.
Sie öffnete eine Schublade, nahm ein Zopfband heraus als Ersatz für jenes, das sie in der Bibliothek vergessen hatte, strich ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zurück und befestigte ihn mit dem Band.
Stromlinienform kann nur von Nutzen sein, dachte sie, als sie in ihr Zimmer zurückkehrte, um sich umzuziehen. Je weniger Angriffsfläche sie dem Feind bot, desto besser.
Sie lächelte grimmig, als sie erkannte, dass sie sich denselben Rat gab, den sie Suz Tompkins im Einkaufszentrum erteilt hatte. Man durfte dem Gegner keine Gelegenheit geben, sich irgendwo festzukrallen.
Eilig schlüpfte Buffy in eine hautenge schwarze Hose, zog ein T-Shirt an und stieg in ihre robustesten Stiefel. Die Stiefel gaben ihr ein etwas besseres Gefühl. Wenn sie den Mächten der Finsternis in den Hintern treten musste, dann so kräftig wie möglich.
Ihre Mutter mochte es nicht, wenn sie schwarze Sachen anzog. Aber Buffy nahm an, dass dies eine Gelegenheit war, bei der selbst ihre Mom zugeben musste, dass es keine Rolle spielte, was Buffy trug.
Sie fröstelte plötzlich. Die Wahrheit war, dass sich Buffy ohne den Inhalt ihrer Jägertasche ein wenig nackt vorkam. Aus einem Impuls heraus trat sie wieder an den Schrank, nahm die Lederjacke heraus, die Angel ihr vor einer Ewigkeit geschenkt hatte, und streifte sie über. Die Tatsache, dass sie Taschen hatte, war irgendwie beruhigend.
Natürlich hatte sie nichts, was sie hineinstecken konnte.
Sie warf einen Blick auf die Leuchtziffern der Digitaluhr auf der Kommode. Dann eilte sie zur Haustür und versuchte, das wummernde, an eine überdrehte Bassfrequenz erinnernde Hämmern ihres Herzens zu ignorieren.
Sie kam nur bis ins Wohnzimmer. Abrupt blieb sie stehen.
Dort, auf der Couch, im Lichtkreis einer Tischlampe, lag das Fotoalbum. Genau wie Joyce es zurückgelassen hatte, als wäre sie, aus freiem Willen, nur kurz nach draußen gegangen und würde jeden Moment zurückkommen.
Buffy spürte, wie ihr rasender Herzschlag stockte, wie ihr Atem aussetzte.
Ihre Mutter war nicht aus freiem Willen fortgegangen. Sie war von den Mächten der Finsternis entführt worden. Entführt aus ihrem Haus, weil Buffy etwas getan hatte. Etwas, das sie tun musste. Weil sie die Jägerin war. Weil sie die Auserwählte war.
Wegen Buffy war ihre Mutter in Gefahr. Es war nicht das erste Mal und möglicherweise auch nicht das letzte. Bei diesem Gedanken fühlte sich Buffy nicht unbedingt besser.
Sie wusste, dass die Zeit knapp war, der Countdown bis zum Beginn der Prüfung lief unerbittlich. Aber dennoch trugen ihre Füße sie zur Couch, saugten sich ihre
Weitere Kostenlose Bücher