200 - Die Suche beginnt
unter der wir lange Wochen gestanden hatten, entlud sich in einer einzigen Liebesnacht. Danach wusste ich, dass es falsch gewesen war. Ich warf mir vor, dich in Gedanken aufgegeben zu haben. Aber die Chance, dich jemals wieder zu sehen, war so verschwindend klein. Also blieb ich bei Chandra.«
Aruula schwieg. Aber die düstere Aura um sie her hatte sich leicht aufgehellt.
»Willst du den Rest hören?«, fragte Matt.
»Natürlich. Oder hast du was anderes vor?«
Sie scherzte. Ein gutes Zeichen oder Galgenhumor?
»Nach und nach gewann ich den Rat für meine Ideen. Und nachdem ich mir die Ausgrabungsstätten ansehen durfte –«
»Ausgrabungen? Auf dem Mars?«
»Ach ja, ich vergaß zu erwähnen: Der Grund für die überstürzte Marsexpedition 2009 war das Foto einer Glasflasche, von einer europäischen Sonde geschossen und der Öffentlichkeit vorenthalten! Der Beweis, dass es Leben auf dem Mars gab oder gegeben haben musste! Wenn die Expedition auch verloren ging und der Einschlag von ›Christopher-Floyd‹ jede Hoffnung auf Hilfe von der Erde zerstörte, so lief das Programm doch planmäßig ab – so wie das Terraforming, mit dem der Mars langsam urbar gemacht wurde. Als ich dort ankam, gab es bereits eine Atmosphäre; so dünn wie hier auf viertausend Meter hohen Bergen, aber atembar. Die Ausgrabungen förderten die Hinterlassenschaften einer fremden, nicht menschlichen Rasse zutage! Doch niemand vermochte die Inschriften zu lesen. Bis ich dort auftauchte.«
»Ausgerechnet du? Wenn ich mich recht entsinne, hattest du schon bei der Sprache der Wandernden Völker Probleme.«
»Aber nicht bei der Sprache der Hydriten!«
Matthew Drax gehörte zu den wenigen Menschen, die in Kontakt mit einer Rasse standen, die verborgen in den irdischen Meeren lebte. Seit Jahrhunderttausenden schon, lange bevor der erste Homo sapiens seinem Nebenmann mit einem Knochen einen Scheitel gezogen und damit das Friseurhandwerk begründet hatte.
Besagter Kontakt war eher zufällig und aus der Not heraus entstanden: Quart’ol, ein Vertreter der anderthalb Meter großen, blaugrünen Fischmenschen, war von Barbaren getötet worden und hatte per Geistverschmelzung sein gesamtes Ich in Matt
»zwischengelagert«, bis er seinen Wirt zu einer Unterwasserstadt geleitet hatte und dort in einen bereitstehenden Klonkörper geschlüpft war. Quart’ol gehörte der Kaste der Quan’rill an, der Geistwanderer.
»Ein Nebeneffekt dieser Verschmelzung war es, wie du weißt, dass ich alles über die Hydriten erfuhr, einschließlich ihrer Sprache. Und niemand war erstaunter als ich, auf dem Mars nun eben diese Schriftzeichen zu finden! Die Hydriten stammen ursprünglich vom Mars! Nicht einmal Quart’ol als Gelehrter hat das gewusst!«
»Quart’ol ist ein Marsmensch?« Aruula war baff erstaunt. »Aber wie sind die Hydriten hierher gekommen? Geschwommen?«
Matt musste grinsen bei der Vorstellung. »Nein«, antwortete er. »Mit der größten technischen Erfindung ihres Volkes: einem Zeitstrahl! Stell ihn dir wie einen Tunnel aus Wasser vor, der sich durch das All schlängelt und die Erde trifft. Wenn er sich über Gewässern befindet, öffnet sich die Passage, über Land schließt sie sich. Leider war die Erde aber zu der Zeit, als der Mars austrocknete und seine Atmosphäre verlor, noch ohne Leben; die Hydree – so nannten sich die Urahnen der Hydriten – wären verhungert. Also stellten sie den Strahl so ein, dass er sie nicht nur quer durch das All, sondern auch Millionen Jahre in die Zukunft transportierte! Es kostete viele Leben, bis die optimale Zeit gefunden war und der Exodus beginnen konnte…«
Matt unterbrach sich, als die Erinnerungen auf ihn einströmten und ihn überwältigten.
Er bezog sein Wissen nicht nur aus antiken Aufzeichnungen, nein. Er hatte es selbst erlebt! Bei der Erforschung der Anlage war sein Geist über die Zeiten transferiert worden und in einem jungen Hydree namens Gilam’esh gelandet. Durch dessen Augen hatte Matt die dramatischen Geschehnisse vor 3,5 Millionen Jahren hautnah miterlebt. Und sogar mit beeinflusst, nachdem es ihm gelungen war, Kontakt zu seinem »Gastgeber« aufzunehmen! Es war eine Zeit der Wunder und Entdeckungen, aber auch der Kriege und Entbehrungen gewesen, und sie endete erst nach über hundert Jahren mit dem Tod Gilam’eshs. Die einzige greifbare Erinnerung an ihn war eine Allzweckwaffe, ein Kombacter, den Matt mit zur Erde genommen hatte.
Der Geist des Hydree aber ging als Weltenwanderer
Weitere Kostenlose Bücher