200 - Die Suche beginnt
habe.«
»Sagtest du nicht, du würdest aus Euree stammen, aus Doyzland?«
»Aus den Flusswäldern der Oder, so ist es«, antwortete sie. Sie wedelte mit einen Tuch über Maddrax, um die Schillys zu vertreiben. »Als ich zwölf Winter alt war, raubten mich Krieger einer Horde der Wandernden Völker. Im Südland verkauften sie mich vier Winter später einem Sklavenhändler. Wenige Monde danach wurde sein Segler von Piraten überfallen und versenkt. Der Kapitän des Piratenschiffs und ich wurden ein Paar. Seine Heimat ist die Ruinenstadt Sidnee an der Ostküste dieses Kontinents. Seine Heimat ist meine Heimat geworden.«
»Was für eine Geschichte…«, sagte Rulfan. »Habt ihr Kinder?«
Sie nickte langsam, und ihre Miene nahm einen wehmütigen Ausdruck an. »O ja«, sagte sie. Sonst nichts.
Am Nachmittag des vierten Tages erreichten sie das Gebirge. Ein immer größer werdender Schwarm Schillys gehörte inzwischen zu ihren ständigen Begleitern. Rulfan fiel auf, dass die Stechfliegen sich von Chira fernhielten.
Mit gleich bleibendem Tempo trottete der mächtige Waran die Hänge hinauf. Er zeigte keinerlei Ermüdung.
Am Ufer eines Bergsees schlugen sie das Nachtlager auf.
Endlich wieder Wasser genug für alle. Der Waran soff sich voll. Chira ging in der Uferböschung auf die Jagd nach Wasservögeln.
Die Heilerin und Rulfan verbanden Maddrax’
Wunden neu. Um den offenen Napf mit der Wundsalbe schwirrte eine dunkle Wolke von Schillys. Rulfan erschlug innerhalb einer halben Stunde mindestens vierzig der großen Insekten. Er riss ihnen Beine und Flügel aus und röstete sie über dem Feuer. Sie aßen sie mit gekochten Blättern einer Pflanze, die Mauricia am Seeufer gepflückt hatte. Rulfan hatte lange nicht so gut gegessen.
»Es geht ihm langsam wieder besser.« Die Heilerin hockte mit gekreuzten Beinen neben dem Lager des Bewusstlosen und vertrieb die Schillys. »Das hätte ich niemals für möglich gehalten.« Sie betrachtete das kantige Gesicht des blonden Mannes und schüttelte staunend den Kopf. »Das Fieber fällt. Wenn es so weiter geht, wird er vielleicht morgen schon wieder zu sich kommen.«
»Wudan möge es so fügen!« Rulfan schloss die Augen und seufzte tief. »Das wäre großartig…«
Eine Zeitlang saßen sie schweigend am Feuer. Chira kehrte zurück. Satt und zufrieden streckte sie sich neben Maddrax aus. Sofort zogen sich die Fliegen zurück. Es war inzwischen dunkel geworden und der Mond ging auf. »Ihr seid gute Freunde, nicht wahr?«, fragte Mauricia.
»Wir sind Blutsbrüder«, sagte Rulfan. »Mein Leben für seines, und sein Leben für meins.«
»Seltsam«, murmelte sie. »Dabei seid ihr so unterschiedlich. Ich habe euch beobachtet. Und er hier, Maddrax, sieht aus, als würde er nicht in diese Welt gehören; als käme er aus einer anderen Zeit.« Sie rückte näher an Rulfan heran und lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. »Erzähl mir ein wenig. Ihr kennt euch schon lange, habe ich Recht?«
Rulfan lächelte seufzend. »Lang oder kurz – was bedeutet das schon? Maddrax und ich sind uns vor sieben Wintern begegnet. Das ist nicht lang, und dennoch kommt es mir vor, als würde ich ihn mein Leben lang kennen.« Er legte den Arm um sie und zog sie an sich.
»Wo seid ihr euch begegnet?« Sie zog die Beine an und kuschelte sich an ihn.
»In Coellen. Auf der Suche nach meiner Mutter und meiner Schwester war ich dorthin gezogen, wo ich einst geboren wurde: an den Großen Fluss bei der Ruinensiedlung Coellen. Meine Mutter und meine Schwester waren tot. Ich schloss mich einer kleinen Untergrundarmee an. Wir bekämpften die blutrünstige Tyrannen, die Coellen beherrschten, und die auch meine Mutter und meine Schwester getötet hatten. Eines Tages landeten Maddrax und eine Barbarin mit einem Feuervogel.«
Rulfan erzählte vom gemeinsamen Kampf gegen die Schwarze Bruderschaft von Coellen und gegen die Schrecklichen Drei im Schwarzen Dom. [1] Er berichtete von Aruula, von den Technos in London und Salisbury, vom Kampf gegen die Nordmänner und von seinem Vater, Sir Leonard Gabriel. Er schilderte die Bildung der Allianz und den Kampf gegen die Daa’muren am Kratersee, und er erzählte, wie er Aruula bis zum Uluru folgte. »Die Macht, die dich zum brennenden Felsen lockte – der Finder –, hat Maddrax und mich aufeinander gehetzt«, schloss er. »Wir wussten nicht, ob wir wachten oder träumten, einer wusste nicht, wer der andere war, und wir kämpften bis zur Erschöpfung. Danach waren wir
Weitere Kostenlose Bücher