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200 - Die Suche beginnt

200 - Die Suche beginnt

Titel: 200 - Die Suche beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell und Michael Schönenbröcher
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also richtig«, sagte Navok.
    Matt sah den Nosfera neben sich schweben: eine dürre, blutleere Gestalt im schwarzen Lederzeug, mit mumienartiger Haut, schütterem Haar und angespitzten Zähnen.
    Die Nosfera waren Menschen, die an einer mutierten Form der Sichelzellenanämie litten. Ohne die Zufuhr frischen Blutes wären sie eingegangen wie welke Pflanzen. Das brachte ihnen natürlich nicht die Sympathie der restlichen Erdbevölkerung ein; wer öffnete schon gern seine Adern, um seinem Gast einen Drink anzubieten? Also holten sich die Nosfera mit Gewalt, was sie zum Leben brauchten. Dabei waren die Blutsauger im Grunde intelligente, integere Wesen mit erstaunlichen telepathischen Fähigkeiten.
    Dank ihrer Außenseiterrolle hatten sie eine eigene Religion entwickelt, nach der sie lebten, geführt von ihrem Oberhaupt, dem Erzvater. Er war es auch, der in einer Vision seines Gottes Murrnau den »Sohn der Finsternis« gesehen hatte: Massiuu Drex, einen Menschen von hohem Wuchs und mit sonnengelbem Haar. Er sollte die mythologische »Zeit, in der die Sonne wächst« verhindern können. Für die extrem lichtempfindlichen Nosfera hätte ein Ende der Dunkelheit gleichzeitig auch ihr Ende bedeutet.
    Natürlich hatte Matthew Drax, der sich plötzlich in einer Erlöserrolle wieder fand und von einem Volk aus Blutsaugern verehrt wurde, nie an diese Prophezeiung geglaubt.
    »Aber nun sieht der Ungläubige wohl ein, dass er falsch lag, oder?« Navok, der inzwischen Erzvaters Nachfolge in Moskau angetreten hatte, grinste. Es sah Grauen erregend aus.
    »Nun ja«, sagte Matt schwach. »Die Sonne wäre nicht wirklich gewachsen, sondern nur näher gekommen.«
    »Haarspaltereien!«, versetzte Navok, mit dem Matt eine langjährige Freundschaft verband. »Du hast es verhindert, und mein Volk ist dir zu ewigem Dank verpflichtet. Ich frage mich nur, ob dieser Wandler ein Gott ist und Murrnau ebenbürtig.«
    Matt unterließ es auch diesmal zu erwähnen, dass die Nosfera das Götzenbild eines deutschen Regisseurs aus dem 19. Jahrhundert verehrten: Friedrich Wilhelm Murnau, auf dessen Film »Nosferatu« auch der Name der Blutsauger zurückging. In dieser postapokalyptischen Welt war es besser, solche Zusammenhänge und Irrtümer nicht aufzuklären.
    »Der Wandler ist kein Gott«, erklärte er. »Er ist ein uraltes Wesen, das im ganzen Kosmos zu Hause ist. Mit sechs anderen seiner Art lebte er einst auf dem Lavaplaneten Daa’mur – bis die Doppelsonne, die ihn beleuchtete, von einem Schwarzen Loch aufgesogen wurde.«
    »Aber die Daa’muren verehren ihn als göttliches Wesen!«, warf Navok ein.
    »Die Daa’muren wussten nicht einmal von seiner Existenz«, stellte Matt richtig. »Erst hier auf der Erde, vor wenigen Wochen, gab er sich ihnen zu erkennen. Gut, der Wandler ist ihr Schöpfer, aber nicht alle Echsenwesen haben das akzeptiert. Ihr Anführer, der Sol, wollte ihn sogar vernichten. Er hatte keine Chance.«
    Ein Schauer lief über Matts Rücken, als er an die dramatischen Geschehnisse zurückdachte. Der Wandler hatte das Bewusstsein des Sol aus dessen Wirtskörper gelöscht – und plötzlich hatte der sich in Professor Dr. Jacob Smythe verwandelt!
    Die Erklärung war so bizarr wie fantastisch.
    Smythe war einst von den Daa’muren bei einem Tauchgang am Kratersee gefangen genommen worden; Matt hatte immer schon vermutet, dass er seitdem mit ihnen kooperierte, um seine eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Wahrscheinlich hieß das Schäflein mal wieder »Weltherrschaft«. Hatten ihm die Daa’muren eine Führungsposition versprochen oder einen Kontinent zur freien Verfügung?
    Einerlei. Als Smythe herausgefunden hatte, was
    »Projekt Daa’mur«, das der Sol verfolgte, tatsächlich bedeutete, war er wohl trotz allem Wahnsinn nachdenklich geworden. Eine glutflüssige Erdoberfläche ließ sich nun mal schlecht regieren.
    Wie Matt jetzt erst erfahren hatte, war es Smythe zu verdanken, dass die Hälfte der Atombombenkette im Kratersee nicht explodiert und der Wandler nicht schon vor vier Jahren vollständig erwacht war.
    Okay, niemand wusste zu sagen, wie die Geschichte dann verlaufen wäre. Vermutlich weit besser, denn der Wandler hätte den Menschen sicher beigestanden. Dass Smythe aber quasi zum Retter der Menschheit hatte avancieren wollen, erschien ihm schon beachtlich.
    Unklar war Matt allerdings, wie Smythes Geist in den Wirtskörper des Sol gelangt war. Offenbar hatte der Anführer der Daa’muren auf dessen Verschlagenheit

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