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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nichts gegeben.«
    »Dann wollen uns diese Kannibalen eben mästen!«
    »Gegen die Kannibalen protestiere ich entschieden!«, sagte ich. »Wir befinden uns unter zivilisierten Menschen.«
    »Ach, Professor, stellen Sie sich doch bloß mal vor, dass diese Leute seit langer Zeit Frischfleisch entbehrt haben«, erklärte der Kanadier. »Da sind drei so gesunde Kerle wie wir einfach ein Leckerbissen. Gelegenheit macht Kannibalen.«
    »Meister Land, Sie haben unseren Wirten gegenüber nicht die richtige Einstellung. Wenn Sie aggressiv werden, dann könnte uns vielleicht wirklich etwas zustoßen. Also halten Sie sich zurück!«
    »Was kann uns denn noch Schlimmeres geschehen, als hier in diesem eisernen Loch gefangen zu sitzen?«, fragte Ned Land. »Wie lange soll das noch dauern?«
    »Was weiß ich«, antwortete ich ihm. »Aber vermutlich sind wir hier einem Geheimnis auf der Spur, dem Geheimnis des Mannes, dem dieses Fahrzeug gehört. Wenn es ihm wichtiger ist als drei Menschenleben, sind wir geliefert. Wenn nicht, wird er uns bei der nächstbesten Gelegenheit an Land absetzen. Da wir aber weder das eine noch das andere wissen, warten wir am besten ab, bis man uns darüber aufklärt. Im Augenblick können wir jedenfalls nichts weiter tun.«
    »Im Gegenteil, Herr Professor. Es muss unbedingt sofort gehandelt werden.«
    »Was wollen Sie denn unternehmen?«
    »Uns retten, was sonst.«
    »Hören Sie, Meister, ich schätze Ihre Fähigkeiten hoch, aber aus einem unterseeischen Gefängnis zu entkommen, dürfte doch wohl einige Schwierigkeiten bereiten.«
    Der Kanadier sah das ein, schwieg aber nicht lange.
    »Was tun also Leute, die nicht aus ihrem Gefängnis herauskönnen?«, fragte er mich.
    Ich zuckte die Achseln. »Na, sie bleiben drin.«
    »Teufel«, sagte Conseil. »Was anderes wird ihnen tatsächlich nicht übrig bleiben.«
    »Natürlich nachdem sie ihre Kerkermeister rausgeworfen haben«, ergänzte der Kanadier.
    »Sie wollen sich doch nicht etwa des Fahrzeugs bemächtigen?«
    »Allerdings.«
    »Unmöglich.«
    »Ich warte nur auf die nächste Gelegenheit. Wenn hier nicht mehr als 20 Mann an Bord sind, dürften es zwei Franzosen und ein Kanadier ja nicht weiter schwer haben.«
    »Hören Sie, Meister: Warten Sie damit noch ab! Wir wissen ja gar nicht, was man mit uns vorhat. Außerdem hilft bei einem solchen Überfall nur List. Und dazu müssen wir die Gewohnheiten an Bord auskundschaften. Versprechen Sie mir, dass Sie nichts Unbedachtes tun, Ned Land!«
    »Topp«, sagte der Kanadier mürrisch.
    Selbstverständlich beruhigte er sich nicht. Statt sich mit uns weiter zu unterhalten, sprach er jetzt mit sich selber und steigerte sich über verbitterte Bemerkungen, gelinde Flüche und saugrobe Schimpfkanonaden in einen derartigen Zorn, dass er die Beherrschung über sich verlor. Er begann, mit den Fäusten gegen die eisernen Wände zu trommeln und mit den Füßen zu stampfen, er lief durch den Raum und brüllte laut. Aus dem übrigen Teil des Fahrzeugs kam weder eine Reaktion auf diesen Anfall noch sonst irgendein Geräusch. Um unsere Zelle lag die vollkommenste Stille. Ohne Zweifel waren wir auf Tauchstation gegangen und gehörten der Erde nicht mehr an.
    Allmählich löste sich auch die Beruhigung auf, die ich bei der Begegnung mit dem Großen empfunden hatte, und wurde zu zitternder Nervosität. Das edle Gesicht verlosch in meiner Erinnerung und in meinem Kopf entstand klar das Bild dieses Mannes, wie es nach allen Regeln der Vernunft und nach der Notwendigkeit aussehen musste: ein unerbittlicher, grausamer Mensch. Er stand außerhalb der Menschheit, jedem mitleidigen Gefühl unzugänglich, ein unversöhnlich hassender Feind der Welt. Ja, bestimmt: Dieser Mann war fähig, uns verhungern zu lassen, ohne dabei auch nur mit der Wimper zu zucken. Mir wurde dieser notwendige Ausgang unseres Abenteuers so klar und Ned Land in seiner verzweifelten Wut brüllte so wahnsinnig, dass mich lähmendes Entsetzen befiel.
    In diesem Augenblick hörte ich draußen ein Geräusch. Der Riegel wurde weggeschoben, die Tür geöffnet, der Steward trat ein. Er war kaum drinnen, da hatte sich Ned Land bereits auf ihn gestürzt, ihn zu Boden geworfen und würgte ihn an der Kehle.
    Conseil und ich stürzten hinab, um ihm das Opfer zu entreißen, da ertönten hinter uns die klaren Worte in meiner Muttersprache : »Beruhigen Sie sich, Ned Land! Und Sie, Herr Professor, hören Sie mich an!«
    Der Große hatte gesprochen. Ned Land erhob sich und der

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