20.000 Meilen unter den Meeren
Geschichte zum dritten Mal vor, hatte allerdings ebenso wenig Erfolg wie wir. Mir fiel dann noch ein, die wichtigsten Punkte daraus auf Küchenlateinisch zusammenzustottern, aber auch das blieb ohne erkennbare Wirkung. Jetzt wechselten die beiden wieder einige Worte in ihrem unverständlichen Idiom, dann zogen sie sich zurück, ohne sich weiter um uns zu kümmern.
»Das nenne ich infam!«, rief Land wütend. »Da redet man französisch, englisch, deutsch und lateinisch mit den Schurken und keiner ist höflich genug, um zu antworten.«
Der Hunger quälte uns, aber auch die unbestimmbare Identität der beiden Besucher ließ uns keine Ruhe. Ich nahm an, dass beide aus südlicheren Gegenden stammten. Allerdings wollte ich mich weder auf Spanier noch auf Türken, Araber oder Inder festlegen. Auch ihre Sprache war so fremd, dass sie nicht die geringsten Anhaltspunkte lieferte.
»Aber merken Sie denn nicht, dass es sich dabei um eine erfundene Geheimsprache handelt?«, fragte mich Ned Land. »In allen Sprachen der Welt versteht man nämlich, was es bedeutet, wenn jemand den Mund aufreißt, Kaubewegungen macht und sich die Lippen leckt. Nur die beiden haben nicht im Geringsten darauf reagiert.«
»Es gibt eben ziemlich dumme Leute auf der Welt«, sagte Conseil.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür. Ein Steward trat herein. Er trug Kleidung über dem Arm, die er austeilte, und anschließend legte er drei Gedecke auf dem Tisch aus.
»Na, das ist doch ein Wort«, seufzte Conseil.
»Pah! Was glauben Sie wohl, was man hier zu fressen kriegt? Schildkrötenleber, Lendensteak vom Hai, Seehundschnitzel!«
»Probieren wir erst mal!«, beruhigte ich den Kanadier.
Die Schüsseln waren mit silbernen Glocken zugedeckt, ganz wie bei gebildeten Leuten. Wenn das stark strahlende Licht nicht gewesen wäre, hätte man glauben können, man speise im Adelphi zu Liverpool oder im Pariser Grand-Hotel. Leider fehlten Weißbrot und Wein. Das Wasser in der Karaffe war klar und rein, aber es blieb eben Wasser. Unter den Speisen, die uns vorgesetzt worden waren, erkannten wir einige Fische, köstlich zubereitet, andere Gerichte aber konnte ich noch nicht einmal mit Sicherheit ins Tier- oder ins Pflanzenreich einordnen. Das silberne Tafelgerät übrigens war sehr geschmackvoll. Jedes Stück, Löffel, Gabel, Messer, Teller, trug dieselbe Gravur :
Beweglich im Bewegten – das passte in der Tat ausgezeichnet auf das Fahrzeug, in dem wir uns befanden. Wir hatten kaum gegessen, als uns eine übermächtige Müdigkeit ergriff. Meine beiden Gefährten sanken ohne viel Federlesens auf der Matte nieder. In meinem Kopf kämpften noch einige Zeit lang die ungelösten Fragen gegen den andrängenden Schlaf. Wo waren wir? Welche Macht entführte uns? Sank das Fahrzeug zum Meeresgrund? Bilderfetzen aus Angstträumen durchsetzten meine Gedanken, ich sah in diesen Wassern ein Asyl unbekannter Tierwelten, zu denen dieses Schiff als gleichartig gehörte, so lebendig, so beweglich, so fantastisch wie jene Tiere …
6. Kapitel
Wie lange unser Schlaf gedauert hatte, war nicht festzustellen. Ich erwachte ausgeruht, aber mit dem Gefühl der Atembeklemmung. In unserer Eisenzelle hatte sich nichts verändert, als dass der Tisch abgedeckt worden war. Sollten wir ewig in diesem Käfig festgehalten werden? So tief ich auch einatmete, meine Lungen bekamen nicht mehr genügend Sauerstoff, die Luft war verbraucht und ich fragte mich, wie dieses Fahrzeug sich frische Atemluft verschaffte. Durch das Reiset-&-Regnault’sche Verfahren, Sauerstoff durch Hitze aus chlorsaurem Kali austreibend? Dazu brauchte es auch kaustisches Kali, um die Kohlensäure zu vertilgen, und war dadurch auf Kontakte mit dem Land angewiesen. Oder nahm es beim Auftauchen Pressluft an Bord, die es dann langsam abließ? Oder tauchte es auf wie die Wale und nahm ganz einfach eine kurze Zeitspanne Frischluft zu sich?
Unser Atmen war bedeutend heftiger und kürzer geworden, der Luftmangel erzeugte bereits Erstickungs- und Angstgefühle, da überschwemmte uns plötzlich ein Strom reiner, jodduftender Meeresluft. Während wir uns dem erlösenden Sauerstoffbesäufnis hingaben, spürten wir das leichte Schaukeln des Fahrzeugs, ganz als würde es von den Wellen der Meeresoberfläche gewiegt.
»Jetzt fehlt nur noch eine ordentliche Mahlzeit«, sagte Ned Land. »Warum bekommen wir nichts zu essen? Wahrscheinlich wollen diese Teufel uns verhungern lassen.«
»Na, dann hätten sie uns doch gestern Abend
Weitere Kostenlose Bücher