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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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uns und eine Weile geschah gar nichts.
    Dann spürte ich, wie eine Kälte, an meinen Füßen beginnend, langsam höher stieg. Ein zischendes Geräusch war damit verbunden. Ich wusste jetzt, dass diese Kammer an der Außenwand der Nautilus liegen musste. Man flutete sie wie eine Schleuse, um uns dann durch eine weitere Tür ins Meer zu entlassen.
    Wir sanken leicht auf den Meeresboden hinab. Der Kapitän Nemo ging voraus, Conseil und ich folgten dicht hinter ihm. Es ging sich ohne alle Mühe, weder die schweren Schuhe noch der enge Helm, in dem mein Kopf wie ein Mandelkern in seiner Schale saß, behinderten mich. Gott sei Dank hatte ja Archimedes sein berühmtes Gesetz entdeckt, nach dem all diese Geräte ebenso viel von ihrem Gewicht verloren, wie das Wasser wog, das sie verdrängten. Ohne den Griechen hätten wir wohl einen schweren Gang getan.
    Das Wasser war völlig klar, und wenn ich den Kopf zurückbog, konnte ich erkennen, dass das Meer an seiner Oberfläche glatt war. Wir schritten über ungewellten Sand, der wie ein starker Reflektor das einfallende Sonnenlicht zurückstrahlte und diese unterseeische Landschaft taghell erleuchtete.
    Der Gang über den Boden aus Muschelstaub zog sich lange hin, immer kleiner wurde die zurückbleibende Nautilus und langsam begann sich die Ebene, mit Felsen und Wasserpflanzen zu mischen. Conseil befand sich vor dem zunehmenden Pflanzenteppich, der die Felsblöcke überzog, vor den immer zahlreicher werdenden Arten Mollusken und Stachelhäutern, Polypen und Korallen in einer entsetzlichen Lage: Da ich nicht mit ihm sprechen konnte und ihm die Namen der Exemplare nennen konnte, kam er nicht zum Klassifizieren und litt sicher an einer Verhaltung, die peinlich sein musste.
    Plötzlich war die Sandebene zu Ende und ein Streifen klebrigen Schlamms folgte. Wir hatten ihn bald durchquert und gelangten in eine dichte, weiche Algenwiese. Auch über unseren Köpfen zogen sich jetzt Algennetze, bis hoch zur Meeresoberfläche. Gegen Mittag löste sich der Farbzauber, in dem alle Gewächse gestanden hatten, langsam auf, da die Strahlen der Sonne jetzt nicht mehr schräg einfielen und sich brachen, sondern senkrecht von oben kamen. Wir hatten den Beginn eines Abgrunds erreicht, dessen Wände wir langsam hinabstiegen. Das Licht wurde trüber und diffuser. In 100 m Tiefe waren wir 10 at Druck ausgesetzt, aber wir spürten kaum etwas davon. Beim Tiefersteigen wurde der Lichtrest von oben rötlich diffus, blieb aber noch so hell, dass wir auf unsere ruhmkorffschen Lampen verzichten konnten.
    Plötzlich gab der Kapitän das Zeichen zum Anhalten. Ich trat zu ihm heran und folgte mit den Blicken seinem ausgestreckten Arm. Ein kurzes Stück unter uns traten aus den Schatten der Tiefe dunkle Massen hervor: die Wälder der Insel Crespo.
    Wir waren am Saum dieser Waldungen angekommen, die zum schönsten Besitz des Kapitäns Nemo gehörten – denn er betrachtete sie wie die ersten Menschen die ganze Erde als sein Eigentum. Mir fiel beim Eintreten unter diese baumartigen Pflanzen sofort eines auf: Kein Kraut, kein Busch, kein Baum mit seinen Zweigen wuchs in die Horizontale, alles stieg steil empor und reckte sich zur Oberfläche des Meeres. Noch die dünnsten Pflanzenfäden hielten sich gerade wie Eisendraht. Schlingpflanzen und Meergräser standen aufrecht, Riesenalgen steilten wie riesige Ständer stramm nach oben. Bald war ich mit dieser sonderbaren Neigung zur Steigung ganz familiär und hatte mich auch an das Dunkel um uns gewöhnt. Die unterseeische Flora schien mir vollständig vertreten, aber dann merkte ich, dass ich Exemplare aus dem Tierreich mit Pflanzengebilden durcheinander brachte, was hier unten gar nicht wundert, hier, wo Fauna und Flora sich durchdringen.
    Alle diese Pflanzen waren wurzellos, hingen nur mit einem dünnen Teigplättchen am Mutterboden. Sie ernährten sich durchs Wasser. Die meisten trieben anstelle von Blättern merkwürdig geformte Bänder, die mit farbiger Borte rosa, karmin, grün, oliv, ocker oder braun eingefasst waren, und ein Großteil der Pflanzen besitzt auch keine Blüten, während, seltsame Umkehrung, ein Teil der Tiere hier unten Blüten treibt.
    Unter dem mannigfachen Strauchwerk, das die Höhe von Bäumen in der gemäßigten Zone erreicht, dehnten sich massenweise die Gebüsche lebender Pflanzen aus, ganze Hecken von Pflanzentieren, Mückenfische flogen von Zweig zu Zweig und bisweilen stob ein Schwarm größerer Fische unter unserem Schritt auf wie

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