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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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bedeckten den Himmel und ließen nur wenige Sterne erkennen. Das Land war ein ganz feintrüber Streifen im Osten, auf den wir zuhielten. Vier Matrosen ruderten im Zehn-Sekunden-Rhythmus, wie er bei allen Kriegsmarinen der Welt üblich ist, einer steuerte. Nemo und wir drei standen im Heck des langsam gleitenden, leicht schaukelnden Bootes. Keiner von uns sprach und es war so still auf dem Meer, dass wir jeden einzelnen kleinen Wellenschlag an die Bootswände, jedes Eintauchen und Hochreißen der Ruderblätter genau hörten.
    Um 5.30 Uhr begann der Horizont im Osten, sich ganz leicht aufzuhellen. Der obere Streifen der ceylonesischen Küste wurde sichtbar, sie war noch 5 sm entfernt. Die Wasserfläche zwischen der Küste und unserem Boot war völlig leer, kein Fahrzeug, kein Taucher an der Stelle, wo sich die Fischer zum Perlentauchen versammelten. Wir kamen um einen Monat zu früh.
    Um sechs Uhr war es plötzlich hell, ohne den Übergang der Morgenröte, die ja in tropischen Breiten ebenso fehlt wie die Abenddämmerung. Während wir die Bäume der Insel Mannar beobachteten, starrte der Kapitän ins Meer.
    Plötzlich gab er ein Zeichen, das Boot hielt, der Anker fiel – allerdings nicht tief, denn der Meeresboden lag hier nur 1 m unter der Wasseroberfläche.
    »Wir sind da.«
    Während wir uns in die Gummianzüge helfen ließen, erklärte uns der Kapitän die Vorzüge dieser Bucht für den Perlentaucher. Die Gewässer lagen hier windgeschützt und waren deshalb nicht so gefährlich wie das offene Meer. Lampen gab es diesmal nicht für uns. Wahrscheinlich tauchten wir nicht sehr tief, sodass das Sonnenlicht ausreichte.
    »Und die Gewehre?«, fragte ich Nemo hastig. »Wo sind die Gewehre? Falls wir den Haien begegnen?«
    »Kämpfen nicht die Gebirgsbewohner mit dem Dolch gegen die Bären? Das werden Sie wohl auch noch können. Hier ist ein Messer, stecken Sie’s ein.«
    Und dann befand sich mein Kopf bereits in der Kupferkugel. Ich sah noch, wie Ned Land seine Harpune griff, und das beruhigte mich etwas.
    Ich stand kaum im Wasser und war ein paar Schritte weit gegangen, als sich alle meine Ängste in dem Maße verflüchtigten, in dem mein Körpergewicht abnahm. Nach zehn Minuten hatten wir eine Tiefe von 5 m erreicht, die Sonne brachte so viel Licht unter Wasser, dass auch die winzigsten Einzelheiten zu erkennen waren. Wieder stoben Fischflotten unter unseren Schritten auf, auch Meerschlangen diesmal (die man mit dem Meeraal verwechseln würde, hätte dieser nicht goldfarbene Streifen an den Seiten). Der Sandboden ging allmählich in eine regelrechte felsgepflasterte Straße über, die von Weichtieren und Tierpflanzen bedeckt war.
    Unter den oft hässlichen Gliederfüßlern, die hier in den Höhlungen und Gebüschen wohnten, fiel mir besonders der riesenhafte Meerkrebs auf, den Darwin schon beobachtete: Die Natur hat ihn so organisiert, dass er von Kokosnüssen leben kann. Er klettert an Land, auf die Kokospalme, wirft eine Nuss hinunter, die zerschellt. Dann greift er mit seinen Scheren zu.
    Gegen sieben Uhr hatten wir die Austernbank erreicht und sahen auf einen Blick, dass hier Millionen dieser Tiere wohnten. Sie hingen mit Muschelseide an den Felsflächen fest und konnten sich nie mehr davon lösen. Diese Austern sind rund und runzelig, sie haben zwei sehr dicke, fast gleich große Schalen, sind in ihrer Jugend grünlich gefärbt und schwarz, wenn sie älter werden. Die größten erreichten einen Durchmesser von 15 cm. Ned Land griff sich mit sicherer Hand die dicksten und brachte sie in einem kleinen Netz unter, das er am Gürtel trug.
    Wir hielten uns vor den aufsteigenden Massen dieser Austernbank nicht lange auf, sondern mussten dem Kapitän folgen, der energisch weiterdrängte. Auch dieser Teil des Meeresgrundes schien ihm vertraut zu sein. Wir kamen auf unserem Weg bisweilen so dicht unter die Wasseroberfläche, dass mein Arm aus dem Wasser herausragte, wenn ich ihn hochhob. Dann aber wurde die Bank rasch niedriger, und nur einzelne spitze Felsen ragten noch empor. Ungestalte Schalentiere nisteten in den dunklen Höhlungen dieser Felsen und fixierten uns, wie kleine Kanonen aufgeprotzt, mit starren Augen. Da öffnete sich vor uns plötzlich eine ungeheure Grotte, in die Nemo ohne Zögern eintrat. Die Beleuchtung in dieser algentapezierten unterseeischen Halle nahm langsam ab, aber unsere Augen gewöhnten sich rasch an das Dämmerlicht. Das Gewölbe dieser Grotte wurde von richtiggehenden Pfeilern getragen,

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