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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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danach schießt manchen beim Auftauchen das Blut schon aus Mund und Nase. In dieser halben Minute müssen sie in aller Hast in ihr Netz raffen, was sie an Muscheln greifen können. Sie werden nicht alt, diese Fischer. Sie erblinden langsam, um die Ränder ihrer Augen setzen sich Geschwüre, der ganze Körper reißt schließlich in Wunden auf und viele trifft auf dem Meeresgrund der Schlag.«
    »Na, wenigstens sind die armen Teufel in ihrem kurzen Leben reich gewesen.«
    »Durchaus nicht, Monsieur. Der Endverbraucher zahlt hohe Preise für Perlen, aber diese Fischer, die nun wirklich Gesundheit und Leben an ihren Erwerb setzen, bekommen fast nichts dafür. In Panama beträgt der Wochenlohn eines solchen Tauchers zum Beispiel ein Dollar. Und hier herum zahlen die Herren ein Sou für die Muschel. Natürlich nur, wenn eine Perle drin ist. Haben Sie wirklich gedacht, nur in Europa gebe es Ausbeutung? Sie haben bemerkenswert wenig Ahnung von der Welt, in der Sie leben, Monsieur.«
    Er brach ab, hielt einen Augenblick inne und fuhr dann ohne den geringsten zynischen Unterton fort: »Wir werden morgen also im Golf von Mannar wandern. Haben Sie übrigens Angst vor Haifischen?«
    »Tja … was soll ich da sagen, ich habe noch keine näheren Kontakte …«
    »Sie werden sich daran gewöhnen. Wir sind bewaffnet und können vielleicht sogar einen Hai erlegen. Das ist eine lustige Jagd. Bis morgen also!«
    Bären auf dem Balkan, Löwen auf den Hochebenen des Atlas, Tiger in den Niederlassungen Indiens zu jagen: das ja, das ohne Weiteres. Aber Haifische in den Meeren? Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn, nachdem der Kapitän gegangen war, und da stand Schweiß. Ich weiß, dass die Schwarzen auf den Andamanen allein mit Schlinge und Dolch bewaffnet den Hai angehen, aber war ich ein Schwarzer? Übrigens verloren diese Haibezwinger nicht selten Arme, Beine oder das Leben. Wider meinen Willen schlugen mir die Zähne leicht aufeinander und ich sah sofort die beiden mächtigen Kinnladen eines Haifisches vor mir, mit den vielen Zahnreihen, die einen Menschenkörper ohne Schwierigkeiten in der Mitte durchtrennen können. Ein leichtes Ziehen um die Hüfte brachte mich sofort dazu, dass ich mich setzte und das Buch über Ceylon wieder zur Hand nahm. Aber die Zeilen liefen unter meinen Augen entlang wie die Zahnreihen von Haifischkiefern, ich brachte es nicht fertig, auch nur den Sinn eines einzigen Satzes zu verstehen. Ich gebe zu, dass mich die Furcht, eines oder mehrere Glieder zu verlieren, etwas aus der Fassung brachte.
    Da traten meine Gefährten ein, lachend. Ich ertappte mich dabei, dass ich sie prüfend ansah, ob sie noch alle ihre Glieder besaßen.
    »Einen fabelhaften Vorschlag hat dieser Kapitän gemacht«, rief Ned Land. »Morgen gehen wir Perlen sammeln. Ich hab so eine Austernbank noch nie gesehen.«
    »Sie sind ja direkt scharf drauf«, sagte ich. Offenbar hatte der Kapitän es für richtig gehalten, den beiden nichts über die drohenden Haifische zu erzählen.
    »Na, das ist doch interessant. Endlich mal ein bisschen Abwechslung auf dem alten Kahn hier.«
    »Vielleicht ist es auch gefährlich!«
    »Gefährlich??«
    »Na … die Muschel, wenn die, hm, zuschnappt … und Sie haben, hm, haben den Finger drin …«
    »Professor! Was ist denn in Sie gefahren?«
    »Ich meine ja nur.«
    »Freund Land: Mein Herr versteht sich auf Muscheln«, sagte Conseil, der mir aus der Verlegenheit helfen wollte.
    »Wunderbar«, meinte der Kanadier. »Dann erzählen Sie mal! Wie ist das mit den Perlen? Wo kommen die her? Was kann man damit verdienen?«
    »Tja, was ist das: eine Perle«, sagte ich. »Für den Dichter ist sie eine Träne des Meeres, für den Orientalen ein fest gewordener Tropfen Tau, für die Frauen ein länglich ovales Schmuckstück aus Perlmutter, von durchsichtigem Glanz, getragen am Finger, Hals oder Ohr, für den Chemiker ist sie eine Mischung aus phosphorsaurem und kohlensaurem Kalk, mit Bindemitteln versetzt, und für den Naturforscher ist sie nichts weiter als eine krankhafte organische Ausscheidung einiger zweischaliger Muscheln.«
    »Familie Lamellibranchia, Ordnung Mollusca, Klasse Evertebrata, Unterreich Metazoa«, sagte Conseil.
    »Ja. Hauptsächlich eine Molluske scheidet Perlen aus: die Perlenauster. Entweder sitzen diese Perlen an der Schale fest oder sie sind ins weiche Fleisch des Tieres eingebettet. Der Kern dieser Perle ist ein harter, kleiner Körper, ein unfruchtbares Ei oder ein Sandkorn, das im Lauf

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