20.000 Meilen unter den Meeren
der Jahre mit Perlmuttringen überzogen wird.«
»Und in jeder Muschel steckt nur eine Perle?«
»Aber nein, es gibt Tiere, die sind ein lebendes Schmuckkästchen. Es wird sogar von einer Auster geredet, in der 150 Haifische enthalten gewesen sein sollen.«
»150 Haifische?«, fragte der Kanadier, zwischen Ehrfurcht und Misstrauen schwankend.
»Hab ich ›Haifische‹ gesagt? Ich meine natürlich Perlen. Ja. 150. Ich glaube das auch nicht. Wisst ihr übrigens, wie man die Perlen aus den Tieren bekommt? Wenn sie an der Schale angewachsen sind, reißen die Fischer sie mit Zangen ab. Aber meistens lässt man die Austern ausgebreitet verhungern und vertrocknen. Sie liegen zehn Tage lang auf einer Matte aus Pfrimmenkraut in der Sonne, dann sind sie zufriedenstellend verfault. Jetzt werden sie in riesige Meerwasserbottiche gebracht, geöffnet und ausgewaschen. Und dann beginnt das Aussortieren.«
»Nach der Größe?«
»Nach der Größe, denn die bestimmt mit Form, Wasser, Farbe und Orient den Preis. Orient – so nennt man den changierenden Glanz der Perlen. Die schönsten und teuersten Stücke sind die vereinzelten Perlen im Fleische, Jungfernperlen, weiß, oft undurchsichtig, doch manchmal auch durchsichtig, opalisierend, meist kugelförmig, manchmal aber auch birnenförmig. Sie werden vornehmlich für Schmuckstücke verwendet. Die Perlen, die an der Schale haften, sind weniger regelmäßig und werden nach Gewicht verkauft. Die geringste Sorte sind die Sandperlen, die man häufig in den Stickereien auf Messgewändern findet.«
»Das Aussortieren all dieser Größen ist bestimmt eine haarsträubend zeitraubende Arbeit«, meinte der Kanadier.
»Durchaus nicht. Man benutzt Siebe mit verschieden großen Löchern …«
»Klassifizieren mechanisiert!«, murmelte Conseil entzückt.
»Ja. Aber für die ganz großen, ganz berühmten Exemplare ist das Sieb natürlich nicht notwendig. Perlen wie die, welche Cäsar der Servilia geschenkt hat – sie soll 120 000 Franc wert gewesen sein.«
»Und dann diese andere Dame da …«, sagte Ned Land, »wie hieß sie doch gleich?«
»Keine Ahnung.«
»Na, die immer Perlen im Essig trank …«
»Cleopatra!«
»Ja. Muss schauderhaft geschmeckt haben. Aber die hätte ich gern geheiratet.«
»Ned Land und …: Welch ein Paar!«, rief Conseil.
»Wieso? Traust du mir nicht zu, dass ich mich verheiraten kann?«, fragte der Kanadier. »Ich war schon mal nahe dran. Und es ist nicht meine Schuld, dass aus der Sache nichts wurde. Ich hatte sogar schon ein Perlenkollier für Kat Tender gekauft, meine Braut, die dann übrigens einen andern geheiratet hat. Na ja. Aber dieses Kollier hat mich nur 1,50 Dollar gekostet, obwohl die Perlen ganz schön groß waren, das können Sie mir glauben!«
»Aber, Meister, das waren doch künstliche Perlen, Glaskugeln mit einer changierenden Essenz versetzt. Die ist übrigens ganz billig, denn sie besteht nur aus einer silberweißen Substanz, welche die Schuppen des Weißfisches liefern. Sie wird in Salmiak aufbewahrt.«
»Ah so, ja. Vielleicht hat Kat Tender deshalb einen anderen geheiratet«, sagte der Kanadier nachdenklich.
»Sie hätten ihr eben eine Perle schenken sollen, wie der Kapitän Nemo sie besitzt. Ich glaube nicht, dass es irgendwo auf der Welt eine größere gibt. Sie ist bestimmt ihre 2 000 000 Franc wert.«
»Warum sehen wir uns morgen nicht nach einer ähnlichen um?«
»Was nützt uns die hier an Bord?«
»Na, hier nicht, aber wenn wir sie mit nach Europa nehmen, dann wird man uns wenigstens die Abenteuer, die wir erlebt haben, glauben.«
»Ist das Ganze auch nicht gefährlich?«, fragte Conseil.
»Ach wo. Wir riskieren höchstens ein paar unfreiwillige Schlucke Meerwasser.«
»Es soll hier Haie geben, Ned Land«, sagte ich.
»Ich bin Harpunier«, entgegnete der Kanadier gelassen.
»Und du, Conseil?«
»Ich bin der Diener meines Herrn«, sagte Conseil. »Wenn Monsieur sich nicht fürchtet, warum dann ich?«
16. Kapitel
Der Steward weckte uns bereits um vier Uhr früh. Kapitän Nemo erwartete mich auf dem Gang und begrüßte mich.
»Sind meine Gefährten schon fertig?«
»Sie warten bereits an der Treppe.«
»Warum dort?«
»Ziehen wir nicht die Taucheranzüge über und …«
»Nein, wir nehmen erst das Boot. Ich möchte mit der Nautilus nicht so nahe an die Austernbänke heranfahren. Wir machen uns auf dem Boot fertig, wenn wir an Ort und Stelle sind.«
Es war noch dunkle Nacht, als wir losfuhren. Wolkenstreifen
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