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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Hatten wir es geschafft? Waren wir an der Oberfläche? Ach nein, was mich tränkte, das waren meine beiden Freunde, Ned Land und Conseil, die ein Atemgerät mit einem letzten Restchen Luft aufgetrieben hatten. Ich erkannte, dass sie selbst am Ersticken waren, und wollte den Apparat von meinem Mund wegschieben, aber sie flößten mir mit vereinten Kräften das Leben ein.
    Ich sah auf die Uhr: elf Uhr am 28. März. Ich sprang auf. Die Instrumente zeigten, dass die Nautilus mit der furchterregenden Geschwindigkeit von 40 sm/h unter Wasser dahinschoss – in 6 m Tiefe! Von der Oberfläche trennte uns nur noch eine dünne Eisdecke.
    Zertrümmern! Das war mein erster Gedanke. Und da merkte ich auch schon, wie die Nautilus zu dem Manöver ansetzte. Wie ein Rammbock fuhr sie gegen die Decke, erfolglos das erste Mal, dann kam ein Bruch in die Massen, der eiserne Schiffskörper stieß nach, zog sich zurück, stieß wieder vor und sprengte mit dem letzten Anlauf das Eisfeld zu unseren Häuptern, schoss aus dem Wasser heraus und brach krachend in die Eisoberfläche des Meeres ein. Im nächsten Augenblick drang reine Luft in alle Räume der Nautilus .

26. Kapitel
    Seltsamerweise waren wir drei die Einzigen, die an Deck stürmten, um sich mit frischer Luft förmlich vollzusaufen; Nemo und die Mannschaft blieben unsichtbar. Die Nautilus begann eine reißende Fahrt zu machen, und wieder einmal war unklar, wohin der Kapitän jetzt wollte. Am 31. März, 19 Uhr, befanden wir uns bereits dem Kap Hoorn gegenüber, der Südspitze Südamerikas. An diesem Abend entschied sich, dass wir im Atlantik blieben. Am nächsten Tag lag westlich die Küste von Feuerland; wir tauchten wieder und fanden reich bewachsenen Meeresboden, in dem sich Weichtiere und Schaltiere idyllisch lagerten wie auf fetten Almen. Am anderen Tag lagen die Falklandinseln in Sichtweite, als wir Luft holen kamen, und Dutzende von Gänsen und Enten ließen sich auf der Plattform nieder und wanderten von dort aus in die Küche. Ich beobachtete Trichterfische, ich beobachtete Quallen, aber Kapitän Nemo ließ sich nicht sehen. In den nächsten Tagen im Westen die patagonischen Küsten, dann, 50 sm entfernt, am 4. April die Mündung des Rio de la Plata und Uruguay. Der Kapitän schien die brasilianischen Gewässer nicht zu mögen, denn er stürmte nach Norden (immer den Buchtungen der südamerikanischen Küste folgend), sodass wir bereits am 9. April das Kap San Roque passierten, die östliche Spitze des Kontinents. Zwei Tage lang tauchten wir fast unentwegt und sahen am 11. April die Mündung des Amazonas, dessen gewaltige Wasser auf einige Meilen hinaus das Meer versüßen. Französisch-Guayana brachte das Blut in Wallung, aber die Fluchtmöglichkeiten waren gering angesichts der rauen See. Den ganzen Tag über, und auch den 12. April noch, blieben wir an der Oberfläche und zogen Netze voller Pflanzentiere, Fische und Reptilien ein. Ein sehr flacher Rochen, wie eine kreisrunde Scheibe geformt und 20 kg schwer, brachte Conseil in Bedrängnis. Das Tier zappelte auf der Plattform und versuchte, wieder ins Meer zu entkommen, da erwischte ihn Conseil mit beiden Händen. Sofort stürzte er zu Boden und brüllte : »Hilfe, ach, Herr, Monsieur, helft, oh!«
    Ned Land und ich stützten ihn und massierten ihn kräftig, bis er wieder bei vollem Bewusstsein war und das Tier klassifizierte, obwohl ihm niemand seinen Namen verraten hatte. Ein Zitterrochen war’s.
    »Ich werde mich rächen!«
    »Und wie?«
    »Das Biest kommt mir heute Abend auf den Tisch!«
    Was auch geschah, jedoch war die Rache nicht süß, nicht angenehm, sondern zäh wie Leder.
    Die Mannschaft der Nautilus fing Seeschildkröten und unser Fahrzeug nahm zusehends Abstand von der amerikanischen Küste. Am 16. April durften wir Guadeloupe und Martinique aus der Ferne betrachten. Der Fischreichtum dieser Gewässer hielt mich ganze Tage vor dem Fenster, nur mit Notizbuch und Bleistift bewaffnet.
    Am 20. April fuhren wir in durchschnittlich 500 m Tiefe und die Pflanzen, die wir an den steil aufsteigenden Felsen sahen, schienen einer riesenhaft vergrößerten Welt anzugehören. Unser Gespräch kam auf kolossale Meerestiere und um elf Uhr vormittags machte mich Ned Land darauf aufmerksam, dass die Tangmassen, die wir vom Fenster des Salons aus beobachten konnten, in heftige Bewegung gerieten.
    »Diese Tangwaldungen sind wahre Polypenhöhlen«, erklärte ich. »Und es würde mich nicht wundern, wenn wir eins von diesen Tieren

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